Sonstiges zur Diskussion

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Hitler lebt


Kann es das Böse überhaupt geben? Ich meine, es ist doch alles Natur. Selbst der Mensch in seinem Irrlauf ist doch Natur. Vulkanausbrüche betrachten wir normalerweise als Schicksal und nicht als böse. Ebenso Massenkarambolagen im Nebel - wir fuhren halt alle zu schnell. Ein Schuldiger ist nicht mehr auszumachen.

Trotzdem gibt es viele Ereignisse, in denen uns das Böse geradezu anschreit: egal ob als Hitler, als Kinderschänder oder als Mob, der zur Lynchjustiz schreitet ... Vorm Bildschirm erliegen wir tagtäglich der Faszination von Verbrechen, Krieg, Zerstörung ..., Grausamkeit und Horror. Es gibt kaum ein Thema, welches unsere Phantasie mehr herausfordert. Warum?
Es muss, glaube ich, etwas damit zu tun haben, dass wir immer jemanden brauchen, der an unserer Misere schuld ist. Dabei geht es nicht nur um die Zuweisung von Schuld aufgrund einzelner Unglücksfälle ... Es ist mehr als das. Wir brauchen Sündenböcke, um den Wert unseres Lebens in ein strahlendes Licht zu stellen. Und hierzu sind natürlich die Außenseiter und Sonderlinge einer Gesellschaft wie geschaffen. Manche Volksgruppen tragen den Stempel „Sonderling“ wie ein Mahnmal über viele Jahrhunderte vor sich her, andere werden stracks auch mal dazu gemacht ...
Obwohl wir eigentlich längst aus Vernunftsgründen wissen, dass - nicht nur vor Gott - sondern auch einfach aus einer der Vernunft abgeleiteten Empathie heraus alle Menschen gleich sind, lassen wir uns immer wieder von Neuem irritieren. Von den Sarrazins, und wie sie alle heißen. Egal ob in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich - ja, europaweit gibt es diese Hetzer und Menschenverächter.

Vor wenigen Tagen verfolgte ich im TV eine Dokumentation über den Neonationalismus in den USA. Nicht zu glauben! Ich war echt perplex darüber, dass sich in Amerika glatzköpfige Faschisten zusammenrotten und „Heil Hitler!“ schreien. Es ist grotesk. Es ist, wie wenn ich meine Mutter verrate ...
Einfach scheußlich. Wie können Menschen derart böse werden? Rassistische Ideen widersprechen jeder fortschrittlichen Kultur. Natürlich haben wir mitunter Angst vor den Fremden ... Doch jeder Fremde und sogar der Feind ist und bleibt nur ein Mensch - wie du und ich. Das Böse gibt es nur in unserer Vorstellung. Wir projezieren es in die Mitmenschen hinein, weil uns Demut und Brüderlichkeit zu viel abverlangen. Und anstatt den Schwarzen Peter bei uns selbst zu suchen, handeln wir in archaischen Mustern „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ und werfen leichtfertig unsere ethischen Bedenken über Bord. (So geschehen z.B., als die USA gegen den Irak und Afghanistan in den Krieg zogen - Europa mitriss ...)
Das Böse ist nicht wiederum mit Bösem zu bekämpfen. Aber alle Weisheiten der Vergangenheit sind plötzlich nur Schall und Rauch. Offensichtlich ist das Böse wie ein Nebel oder wie ein Virus, der in die Menschen kommt, wenn nur gewisse Voraussetzungen gegeben sind - so als würde man Tinte in ein Wasserglas tröpfeln ...
Die Dunkelheit breitet sich aus. Niemand ist vor ihr gefeit.

Dennoch glaube ich, dass man sich Macht seines Geistes dagegen wehren kann. Liebe und Vernunft können den Menschen retten. Im Kleinen wie im Großen.

Wir müssen den verhängnisvollen Kreislauf durchbrechen.

Freitag, 5. November 2010

Wir sind depressiv


In der aktuellen Ausgabe der Illustrierten "Stern" outen sich prominente und nicht prominente Menschen als depressiv - bzw. dass sie depressiv waren. Der Titel heißt: "Ich war depressiv". Anlass ist der Todestag von Torwart Robert Enke. Eine Welle des Mitleids und des Hinterfragens von Depression schwappte vor einem Jahr durch die Medien. Jeder A-, B- und XYZ- Prominente fühlte sich bemüßigt, zum Thema seinen Senf abzugeben.
Und nun die Neuauflage. Der "Stern" konfrontiert eine depressive Gesellschaft wiederholt mit dem Tabu-Thema Depression und Suizid. Ich fühle mich auch schon viel besser, wenn ich weiß, wer schon alles mit Selbstmordgedanken spielte. Offensichtlich eine Volkskrankheit ... Immerhin bringen sich durchschnittlich rund zehntausend Menschen pro Jahr in Deutschland um. Im Straßenverkehr stirbt nur knapp die Hälfte. Wahrscheinlich werde ich depressiv sterben, denke ich, ohne mich vorher umgebracht zu haben.
Oder ich komme unter die Räder.
Wie kann man eigentlich angesichts des immer näher rückenden eigenen Ablebens sowie der ganzen Quälerei durch Existenz, Beruf, Liebe nicht depressiv werden? Ich kann noch so viel saufen - die schwermütigen Gedanken bleiben.
Gegen Gehirnwäschen von Religion und Ideologie war ich (leider) schon immer immun. Und den Materialismus finde ich nur kurzweilig aufbauend. Wirklich glücklich können eigentlich nur Menschen sein, die ihr Glück, für welches sie sich entschieden, nicht hinterfragen - entweder aus Weisheit oder Naivität. Oder aus Angst.
Ich glaube, ich bin weder weise noch naiv. Angst habe ich allerdings schon. (Ich bin depressiv.)
Ich versuche mich durch das Leben zu wurschteln - wie es kommt. Es gibt kein Entrinnen. Drum spare ich mir den Weg zum Therapeuten oder Psychiater. Das einzige, was mir hilft, sind stoisches Ertragen und weitgehende Selbstbestimmung. Ja, und das Schreiben darüber: Das Veräußern meiner Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen. Die Liebe, wenn sie glüht ... und wärmt.
Das Leben bedeutet für jeden Menschen Kampf und Risiko. Ganz unterschiedlich gehen wir es an. Dabei sind wir tief in uns kaum auseinander. Spürbar z.B. in der Bewältigung gemeinsamer Not.
Dummerweise verlieren sich solch empathische Erlebnisse wieder im grauen, von Egoismen bestimmten Alltag.
...


Kürzlich sendete mir eine alte Freundin (Uschi) ein Karte. Darauf der Sinnspruch:

Für den wahren Lebenskünstler ist die schönste Zeit immer diejenige, die er gerade verbringt.
(Orson Welles)

Freitag, 8. Oktober 2010

Stuttgart 21


Lieber Heiner Geißler, da hast du dir was aufgeladen. Überhebe dich nicht an dem Vermittlungsversuch. Genieße lieber deinen goldenen Oktober.

Seit einiger Zeit verfolge ich das Geschehen um den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs in den Medien. Inzwischen geht es kaum noch darum, wie sinnvoll das Projekt ist. Die Für und Wider Argumente stehen sich relativ klar gegenüber. Die Entscheidung für den Bau ist schon lange abgesegnet und legitimiert. Dummerweise wurde es von der Politik verpasst, die Bürger ausreichend darüber zu informieren, bzw. für das Großprojekt zu werben. So konnte es geschehen, dass sich viele Stuttgarter Bürger dagegen auflehnten, als zur Tat geschritten wurde, weil ihnen da erst schmerzvoll bewusst wurde, was dieser Neubau für Stadt und Einwohner bedeutet. Von den Milliarden-Kosten ganz abgesehen. Die Pläne lagen jahrelang in den Schubladen. Da lagen sie gut. Nun rollen die Monster-Baumaschinen an. Bäume werden zu Hunderten gefällt und das geliebte Bahnhofsgebäude wird eingerissen. Die schwäbische Seele ist verletzt. Konservative Werte werden durch eine konservative Regierung brutal in den Staub getreten . Ehrbare Bürger gehen nun auf die Straße - das erste Mal in ihrem Leben. Dagegen muss demonstriert werden: Besser spät als nie! Aus Spießern werden Revoluzzer. Endlich kommt Farbe in den öden Alltag.
Die dumpfbackige Politik stellt die Polizeimacht dagegen. Wollen denen mal zeigen, wo der Hammer hängt! Was soll dieses bürgerliche Aufbegehren gegen Vater Landesregierung - dabei meint es der Vater nur gut mit seinen Schäfchen. Und jetzt diese Undankbarkeit! Sollen sie mal die Knute zu spüren kriegen ... Die Wasserwerfer halten in die Menge, Pfefferspray und Tränengas werden versprüht. O weh, das ging ins Auge! Demonstrationsfreiheit hin oder her - die vom Volk ins Amt berufene Politik kann sich nicht alles gefallen lassen. Schließlich geht es um viel Geld, um Unsummen. Da hört der Spaß auf. Von wegen Baustopp. Alles muss seine Ordnung haben - und behalten.

Und jetzt kommst du, lieber Heiner, und willst zusammenbringen, was sowieso zusammengehört. Hast selbst mal zu denen da oben gehört, kennst die Wölfe - und wurdest zum Schaf, weil du im Herzen Jesus trägst, weil du als aufrichtiger Christ die Augen nicht mehr vor dem Unrecht und den Lügen verschließen kannst. Klug wie du bist, weißt du: Stuttgart 21 wird gebaut! Komme, was da wolle. Es geht nur darum, wie man die Bürger und Bürgerinnen beruhigen kann, so dass wieder Frieden im Ländle herrscht und deine Heimatpartei, die CDU, nicht Angst vor den nächsten Landtagswahlen haben muss.
Du weißt ja: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ..."

(Trotzdem viel Glück!)

Donnerstag, 23. September 2010

Gesundheitsreform, die wievielte?


Man kann nur hoffen für dieses Land, dass es nicht die letzte war. Herr Rösler, seines Zeichens Gesundheitsminister, lieferte eine reife Leistung ab!
Die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen dürfen ab 2011 mit Zusatzzahlungen rechnen, quasi als Einstieg in die Kopfpauschale. Gewinner der Reform sind die Arbeitgeber, die ab 2011 von Erhöhungen ausgespart bleiben, und die privaten Kassen, die auf viele neue Mitglieder hoffen dürfen. Verlierer ist der kleine Mann - er soll den Gürtel mal wieder enger schnallen, schließlich hat er darin schon Übung. Auf seine Kosten wird gespart. Er wird ausgepresst wie eine Zitrone. Bei über siebzig Millionen Beitragszahlern macht`s die Summe. Herr Rösler kann sich nicht vorstellen, dass für einen Rentner, eine Verkäuferin oder einen Altenpfleger 20-40 Euro pro Monat, die sie zukünftig mehr zahlen sollen, eine spürbare Minderung ihrer Lebensqualität bedeutet. Es läppert sich: Praxisgebühren, Zuzahlungen bei Medikamenten und nun die Kopfpauschale. Menschen mit geringem Verdienst werden besser nicht krank ...
Nun kann man von einem jungen, aufstrebenden FDP Politiker keine sozial verträgliche Politik erwarten. Das Volk wählte schwarz-gelb. Die Lobbyisten der Pharmaindustrie rannten also offene Türen ein.
Ich kann nur hoffen, dass die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes rechtzeitig zur nächsten Wahl (2013) hellwach sind und diese unsozial agierende Politik abwählen!

Montag, 20. September 2010

Kann ein Künstler den Anspruch erheben, mit seiner Kunst Geld zu verdienen?

(oder: Ein Dialog über Illusion und Desillusion in der Kunst)



Pro: Selbstverständlich, schließlich muss er von etwas leben.

Contra: Verrät dabei der Künstler seine Ideale nicht an den Konsum?

Pro: Die meisten Künstler werden sowieso nicht reich mit ihrer Kunst.

Contra: Also ich finde es ähnlich zwiespältig wie das Geldverdienen mit Liebe.

Pro: Und Prostitution gab`s auch schon immer ... und in allen Kulturen.

Contra: Ich fände es halt schlimm, wenn Prostitution der Regelfall wäre.

Pro: Ein Künstler prostituiert sich doch nicht, weil er für seine Kunst entlohnt werden will.
Es ist doch mehr eine Aufwandsentschädigung und eventuell ein Belohnungsschmankerl.


Contra: Wo willst du die Grenze ziehen? Wann wird eine Forderung unmoralisch?
Gerade auf dem Kunstmarkt tummeln sich deswegen vor allem elitäre und begüterte Personen.

Pro: Es ist leider Fakt, dass Menschen mit einem niederen Bildungsniveau lieber zu Mac Donalds gehen als ein Buch zu lesen oder eine Kunstausstellung zu besuchen - was ich auch für völlig legitim halte - schließlich kann man niemandem das Interesse an Kunst vorschreiben.

Contra: Aber mit diesem Image befördern wir die Herausbildung einer Zweiklassengesellschaft, in welcher Kunst weitgehend als abgehobene Angelegenheit gehandelt wird. Wäre es nicht besser, die Kunst von Kapitalismus und gesellschaftlichem Status abzuhängen, um ihr kreatives, geistiges Potential auf alle Menschen gleichermaßen wirken zu lassen?

Pro: Wir leben aber in keiner idealen Welt. Der Künstler muss sehen, wo er bleibt. Warum also nicht ein paar Euro für eine Lesung oder Ausstellung einstecken? Es ist nachvollziehbar, dass ein Künstler davon träumt, ohne zusätzliche Erwerbsarbeit leben zu können.

Contra: Ja, aber bloß weil eine Sache in der Welt notwendig oder normal ist, macht sie das nicht moralischer. In meinen Augen bedeutet die Vermarktung von Kunst - die sich damit herausbildenden Strukturen, der provozierte Wettbewerb unter den Künstlern - eine Ungerechtigkeit und ein Schandfleck im Kulturbetrieb. Es heißt ja nichts anderes als: Nur wer mit den Wölfen heult, kommt weiter ...

Pro: Warum sollten in der Kunst andere Gesetzmäßigkeiten herrschen? Es können niemals alle mit ihrer Kunst berühmt und reich werden, und so braucht man ein Ausleseverfahren.

Contra: ... wo Geld, Vitamin B und Ellenbogen die maßgebliche Rolle spielen. Aber widerspricht dies nicht der Kunst als ein Metier des freien Geistes, der Anarchie, der Unabhängigkeit von Mainstream, Mode und Macht?

Pro: Völlige Unabhängigkeit gibt es nicht. Wer dies behauptet, ist ein Illusionist.

Contra: Dann ist jegliche Ethik ein Popanz ...

Pro: Jedenfalls sollte eine Ethik nicht zu realitätsfremd sein.

Contra: Was ich schlimm finde: dass so gut wie keine Kritik an den Gegebenheiten stattfindet. Als wäre es ein Tabu-Thema. Ich meine auch eine Portion Selbstkritik der Künstler.

Pro: Da erwartest du von dem Künstler, der vielleicht gerade den Hauch des Erfolgs spürt, etwas viel - er ist froh, dass nach all seinem Bemühen endlich mal die Kasse klingelt, dass z.B. seine Bücher gekauft -, seine Lesungen besucht werden. Und jene, die es geschafft haben, in den Olymp der angesehenen Künstler aufgestiegen zu sein, werden einen Teufel tun, den Betrieb schlecht zu machen, der sie beförderte und von dem sie nach wie vor abhängig sind.

Contra: Ist das nicht traurig?

Pro: Nur wenn man ständig dagegen angeht ... und meint, gegen Windmühlen kämpfen zu müssen.
Niemand kann die Welt verändern.


Contra: Als Künstler und Idealist komme ich davon nicht ganz weg ...

Pro: Dein Problem.

Mittwoch, 15. September 2010

"Deutscher Bundestag"


Mal wieder Bundestag Live. Realkabarett von Regierung und Opposition auf Büttenredenniveau.
Es wird um Integration, Wehrpflicht, Energie- und Sozialpolitik gestritten. Abwechselnd widersprechen sich die Redner der verschiedenen Lager, so dass man als Zuhörer schließlich völlig verwirrt ist. Ich komme zu dem Schluss, dass offensichtlich keiner so richtig weiß, worüber er redet. Übrig bleiben parteipolitische Selbstbeweihräucherungen, polemische Statements und Beschimpfungen der Gegenseite. Warum ich mir dieses vormittägliche Schauspiel - oder besser Kasperletheater - antue? Weil es tatsächlich einige rhetorische Spitzen gibt, bei denen ich in mich hineingrinse. Dann die unterschiedliche Körpersprache - köstlich! Die Mimik der Zuhörer, die Zwischenrufe oder ihre absichtlich zur Schau gestellte Ignoranz!
Und ein Teil dieser klugen Köpfe stellt die Regierung! Ach, wie schön! Mit diesem Kabinett könnte man auf Welttournee gehen - mit dem Stück "Deutscher Bundestag". Okay, man müsste die Debatte zusammenstreichen, da und dort ein wenig auf die Tränendrüse drücken und ein paar Tanzeinlagen einbauen. Die Themen wären beliebig austauschbar. Angela Merkel würde zum Superstar am Broadway, derweil die Konzerne Deutschland regierten - was sie sowieso schon indirekt tun.
Nur eine halbwegs gut funktionierende Gesellschaft kann sich solche Politiker leisten. Denn würde man deren Sachverstand und Regierungsleistung 1:1 auf die Lebenswirklichkeit projizieren, müsste das absolute Chaos im Lande herrschen. Nein, eigentlich ist das alles gar nicht lustig - eher ein Trauerspiel.
Nur mit überbordender Ironie kann ich dem begegnen, ansonsten verfalle ich in eine depressive Starre. Es ist ein Gefühl, als würde man in unendlicher Zeitlupe von einer Riesenschlange verschlungen. Alles Sträuben nutzt nichts, Millimeter für Millimeter rutscht man in den Rachen des Untiers. Die Aussichten werden immer finsterer - wie der Tag heute. Der Himmel heult sich aus. Offensichtlich hat er dasselbe Programm eingeschaltet.

Samstag, 11. September 2010

11. September


Immer noch üben die Bilder des Terroranschlags auf die Twin Towers am 11. September 2001 eine Faszination auf mich aus - jagen mir einen Schauer über den Rücken. Diese Katastrophe war in jeder Beziehung monströs und wie geschaffen, um als Trauma in die Weltgeschichte einzugehen - ähnlich wie Pearl Harbour, Hiroshima oder der Kennedy Mord. Die mediale Präsenz des Ereignisses hämmerte es unauslöschbar in unsere Köpfe. Etwas eigentlich unfassbares war passiert, und die Menschen klebten an den TV-Bildschirmen oder an den Radios, die Zeitungen wurden den Verkäufern förmlich aus den Händen gerissen ...
Ich war damals mit dem Fahrrad in Cassis am Mittelmeer, ein kleines Städtchen zwischen Marseille und Toulon. Das Wetter war schön, und ich genoss die spätsommerliche Urlaubsidylle. In den Bars und Cafés liefen die Bilder von dem Anschlag immer und immer wieder, unterbrochen von der französischen Moderation. Am nächsten Tag kaufte ich mir die "Daily Mail" (deutsche Tageszeitungen gab es nicht ), um die Hintergründe zu erfahren. Mein Französisch war zu lückenhaft, um etwas wirklich Aufschlussreiches den französischen Nachrichten zu entnehmen. Ich kriegte jedoch so viel mit, dass unter den Franzosen nicht nur Betroffenheit und Mitgefühl für die Opfer herrschten - unter den arabischen Migranten waren viele, die in ihrem Amerikahass das Geschehen mit Genugtuung betrachteten. Da ich mit niemandem reden konnte, spukten in diesen Tagen die unmöglichsten Gedanken durch meinen Kopf: Würde es Krieg geben? Was würde als nächstes passieren?
Neun Jahre ist das nun her. Die Welt beklagt viele Tote auf den Kriegsschauplätzen im Irak und in Afghanistan. Die Vorbehalte im Westen gegenüber den Muslimen und der arabischen Bevölkerung wuchsen und drängten sich in die Medien, die Politik und den Alltag. Eine diffuse Angst vor Anschlägen machte sich breit. Abend- und Morgenland waren sich noch nie so fremd und gleichzeitig nah. Auf beiden Seiten wirken spaltende Kräfte durch Hassprediger und Extremisten. Ängste werden geschürt, alte Vorurteile bedient und neue in die Welt gesetzt. Feindbilder und simples Schwarz-Weiß Denken haben mal wieder Hochkonjunktur. Die Guten kämpfen gegen die Bösen, und alle glauben, dass sie zu den Guten zählen - total widersinnig ... Ein verrückter Pfarrer wird öffentlich den Koran verbrennen, und im Gegenzuge werden Islamisten mit Terror und Mord antworten - alles im Namen Gottes.
Es ist absurd! Es ist ähnlich absurd wie eine Autoimmunerkrankung, wenn körpereigenes Gewebe als Fremdkörper bekämpft wird. Wie kommen diese Feindseligkeit und dieser Hass zustande? Warum kann die Vernunft so wenig dagegen ausrichten? Mit dem Hass lassen wir das Böse in unsere Herzen. Der Teufel reibt sich genüsslich die Hände, wenn ihm die Menschen scharenweise auf den Leim gehen - Christen ebenso wie Muslime, Menschen aller Kulturen, Nationen und Rassen.
Der Anschlag auf das World Trade Center läutete das neue Jahrtausend mit einem infernalischen Paukenschlag ein und machte deutlich, dass die Menschen trotz allen Wissens und Fortschritt, trotz aller Vernunft und Weisheit von den Wölfen unter ihnen erpressbar und verführbar sind.
Die Bilder der brennenden und einstürzenden Türme lassen mich schaudern. Ich verstehe sie als Mahnung an die gesamte Menschheit - als gäbe es einen moralischen Weltgeist, der uns sagt: "Treibt es nicht zu weit! Ob ihr die Hölle oder das Paradies auf Erden habt, liegt in euren Händen."









Donnerstag, 2. September 2010

Was mir beim Hype um Thilo Sarrazin und seine Thesen besonders auf den Sack geht

ist nicht, dass ein Mensch ein Buch schrieb, von dem einem schlecht wird, auch ohne es zu lesen;

- sondern dass er offenbar (zu) viel Zustimmung aus der Bevölkerung erhält, nach dem Motto: endlich kommt einer, der es offen ausspricht, dass Juden, Türken, Muslime und sonstiges unanpassungsfähiges, degeneriertes Gesocks in unserer deutschen Gesellschaft unerwünscht sind - und der, der das sagt, ist schließlich nicht irgendwer ...;

- dass Herr Sarrazin und seine Anhänger vehement den in den Thesen versteckten Rassismus und das damit einhergehende menschenverachtende Weltbild leugnen;

- die Thesen mit halbwissenschaftlichen Argumenten unterfüttern und somit die Menschen bewusst hinters Licht führen;

- dass die derzeitige Diskussion Zwietracht sät und alte Vorurteile neu belebt, anstatt dass die Probleme um Migration, Integration und Parallelgesellschaft konstruktiv angegangen werden;

- dass die Medien sich zu Herrn Sarrazins Komplizen machen, indem sie die sensible Angelegenheit gnadenlos vermarkten, indem sie aus Einschaltquotengeilheit Herrn Sarrazin eine größere Plattform bieten, als er verdient;

- dass Herr Sarrazin mit seinem Buch auch noch ein Schweinegeld verdienen wird ..., und sich wahrscheinlich im stillen Kämmerchen ins Fäustchen lacht.

Montag, 7. Juni 2010

Badeanstalt Deutschland


Es ist Badesaison. Ich hoffe, dass die schwarz-gelbe Regierung bald baden geht. Wenn schon Chaos, dann eines, welches den Kleinen Leuten zugute kommt. Wenn wir schon untergehen, dann teilt bitte denen Champagner aus, die sonst nicht in den Genuss davon kommen. Liebe Regierungsvertreter, zeigt ein einziges Mal Ehre, Anstand und Mut, indem ihr den Armen gebt und den Reichen nehmt. Ich habe Eure ständigen Ausreden satt. Wie wäre das, wenn wir mit dem "Rasenmähen" bei Euch und den Bonzen anfingen? Eure Lügen sollte man besteuern - und der Bundeshaushalt wäre saniert. Wenn Ihr von Konsolidierung redet, meint ihr das Gesetz des Stärkeren, und zuckt dabei mit keiner Wimper. Dummerweise kann man die Langzeitarbeitslosen nicht wie Müll ins Ausland verschachern. Darum muss man sich im eigenen Land um eine möglichst kostengünstige Lösung kümmern. Wie wäre es mit einem Euthanasiegesetz? Ich meine, bevor Merkels und Westerwelles die Felle davonschwimmen ...
Kein Land kann es sich heute noch leisten, alle schwachen Mitglieder mit durchzuziehen. Stellt sich die Frage, wie man die Verfassung austrickst - wohl nur eine Frage der Zeit, und Ihr findet eine Lösung. Rhetorisch habt Ihr`s bereits vorweggenommen, dass Arbeitslose und Hartz IV Empfänger eigentlich lebensunwert sind und sich für jeden Almosen von Vater Staat schämen müssen. Sie sollen sich wie der letzte Dreck fühlen, wie Ausschussware der Gesellschaft. Noch sind sie ja eine Minderheit, die leicht mundtot zu machen ist. Dazu muss man nur wie ein Herr Koch mit markigen Sprüchen den Sozialneid schüren, und die Randgruppen hauen sich untereinander auf die Schnauze. Intelligenter Mann ist dieser Koch - den hätte sich Merkel warm halten sollen.
Und dann Köhler: wer war Köhler? Ach ja, ich erinnere mich. Er war der Weihnachtsmann. Er ist der erste Weihnachtsmann, der zurücktrat. Und nun diskutieren sie wie die Schweine über die Nachfolgeschaft.
Wir brauchen den Weihnachtsmann. Keiner kann sagen, warum. Armer Köhler. Zu ungeschickt im Lügen. Mal sehen, ob ich ihn im Schwimmbad treffe. Endlich ist er das Volk los, da kann er ganz Mensch sein.

Mittwoch, 5. Mai 2010

Wir sind Kohl

Da begeht einer seinen 80 sten, heute öffentlich, er führte 16 Jahre die Republik und ging als Kanzler der Deutschen Einheit in die Geschichte ein. Wenn ich diesen Menschen, alt und gebrechlich geworden, in der ersten Reihe sitzen sehe, habe ich Mitleid mit ihm, wie ich mit jedem meiner Altenbewohner(innen) Mitleid empfinde, weil ich jenseits von allem, was als böse oder gut gilt, einfach das Menschliche sehe.
Ich gönne ihm diese Feierlichkeiten, weil er sie, glaube ich, sehr genießt. Genau genommen werden die Grabreden und Lobhudeleien vorweggenommen. Nein, ich meine das nur halb zynisch, Herr Kohl. Sie wurden ein großer Mann der deutschen Geschichte, weil sie 4x die Wahlen gewannen. Ich wählte Sie nicht. Ich wählte auch Angela Merkel nicht. Durch Ihre Person und Kanzlerschaft wurde mir ... bewusst, wie es mit der deutschen Volksseele bestellt ist. Leidvoll erkannte ich, dass ich in meiner Heimat ewig zu den Verlierern gehören werde, weil die Mehrheit in diesem Land einfach anders tickt (ich ticke da irgendwie falsch). In den Siebzigern war Willy Brandt mein politischer Held, weil er sich nicht verbiegen ließ. In den Achtzigern war ich für Die Grünen, weil sie für mehr Umweltbewusstsein und Gerechtigkeit stritten. Helden sehe ich schon lange nicht mehr in der Politik. Aber ich hoffe, dass Die Linke sich etabliert und als Gegengewicht zu den kapitalistischen und konservativen Kräften peu à peu an Statur gewinnt.
Ich habe wenig Ahnung vom politischen Geschäft, aber was ich als durchschnittlich gebildeter Bürger über die Medien mitbekomme, lässt mich schaudern. Es bleibt nach wie vor das Gefühl, dass wir an der Nase herumgeführt werden. Vier Amtsperioden lang fühlte ich mich damals als Mensch und Bürger Deutschlands nicht repräsentiert - es war ein elendes Gefühl der Ohnmacht. 1983 durfte ich zum ersten Mal meine Stimme abgeben. Das Wählen wurde mir sehr früh vergällt. Wir reden heute von zunehmender Politikverdrossenheit - sehr geehrter Herr Kohl, für die Politikverdrossenheit, vor allem der jüngeren Generationen, tragen Sie die Verantwortung! Noch in den Siebzigern gab es gesellschaftsübergreifend ein größeres politisches Interesse als heute. Inzwischen sind wir müde, und Angela Merkel repräsentiert schon optisch diese Müdigkeit.
Aber, wie gesagt, Herr Kohl, Sie wurden gewählt! Meine Heimat ist Spießerland geblieben. Der Geist der 68 er ist heute kaum noch erkennbar. Die Grünen wurden immer schwärzer. Die SPD zahlt bitter dafür, dass sie die Kleinen Leute im Stich ließ. Und die CDU war für mich schon immer die Partei der Ewiggestrigen, welche sagt: "Solange du die Füße unter meinen Tisch streckst ..." Kein Wunder, dass sie (normalerweise) mit der katholischen Kirche gut kann: Oberflächlichkeit und Materialismus werden gelebt, während man Werte wie Gerechtigkeit und Menschlichkeit vorheuchelt.
Alles Gute zum 80 sten, Herr Kohl! Ich gratuliere und verneige mich vor Ihnen. Es ist ihr Durchstehvermögen, vor dem ich Respekt habe. Sie sind für mich ein "Monster deutscher Politik", inzwischen durch Ihre Vergreisung harmlos und mitleidenswert erscheinend, doch damals in den aktiven Zeiten hätte ich Sie am Liebsten mitsamt Oggersheim auf den Mond geschossen (nun werden mich wahrscheinlich die Oggersheimer lynchen).

Helmut Kohl ist ein sehr kranker, alter Mann. Er hat seinen Auftritt - wahrscheinlich den letzten. Das Publikum klatscht. Ich schaue in die betroffenen Gesichter.
Kohl sagt: "Der liebe Gott hat es mit mir gut gemeint." Er redet aus seinem Leben. Es ist wahrscheinlich das Bedeutendste und Ehrlichste, was er jemals zu sagen hatte.
Ich muss das jetzt abschalten.
Ich weiß nicht, ob mir gleich schlecht wird vor Abscheu ... oder Rührung.

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