Sonstiges zur Diskussion

Mittwoch, 14. April 2010

I remember Eugen Drewermann


... der vor zwanzig Jahren über grundsätzliche Fragen mit seiner Kirche im Clinch lag und deswegen seine Lehrerlaubnis verlor und vom Priesteramt suspendiert wurde. Ich verfolgte damals gespannt viele Interviews und Diskussionen mit ihm in Funk und Fernsehen.
Nun vermisse ich sein klares und weises Wort zu der aufbrandenden Mißbrauchsdiskussion in den Medien, gerade im Zusammenhang mit der Kirche. Ich finde, man sieht und hört diesen streitbaren und humanistischen Menschen und Theologen viel zu selten.

Beim Surfen stieß ich auf ein Interview durch Deutschlandradio Kultur:

Drewermann kritisiert Umgang der katholischen Kirche mit Mißbrauchsvorwürfen

... und auf ein Interview im Der Tagesspiegel:

Katholische Sexualmoral ist repressiv

Außerdem sind von ihm einige Diskussionsbeiträge und Vorträge bei youtube zu sehen und zu hören, wie z.B. der folgende Ausschnitt, wo er über die negative Bedeutung des Geldes für den Menschen spricht.


Mittwoch, 7. April 2010

"Ich führe Krieg"


Interessiert las ich das Interview im aktuellen Spiegel (Nr. 14/ 3.4.10) mit dem französischen Intellektuellen und Philosophen Bernard-Henri Lévy. Es ist jedes Mal ein freudiges Gefühl, wenn ich auf Denker und Literaten stoße, in deren Worten ich meine Geisteshaltung und Gedanken widergespiegelt finde.
Darum hier einige Zitate, mit welchen mir Bernard-Henri Lévy sozusagen aus dem Herzen sprach:


... Krieg empfinde ich als Schande der Menschheit. Aber im Denken ist Krieg das einzig wahre Mittel. Es gilt, die gegnerischen Gedanken zu stellen und zu bekämpfen. Das Ziel ist nicht nur das Finden der Wahrheit, sondern der Sieg ...

... Denken ist nicht gewalttätig, wohl aber unerbittlich. Entscheidend ist die Unnachgiebigkeit. Was ich in der Philosophie ablehne, ist der Kompromiss ...

... Ich führe Krieg um die Wahrheit ...

... Aber der Wille zur Wahrheit ist nicht alles. Ich philosophiere, weil ich mit allen meinen bescheidenen Mitteln dazu beitragen will, die Schäden, die Beleidigungen und Kränkungen wiedergutzumachen, die den Ärmsten unter den Armen zugefügt werden ...

... Schreckliche Mittel rechtfertigen sich nie durch den vermeintlich guten Zweck, im Gegenteil, sie vergiften ihn. Es gibt keine List der Vernunft, die über den Umweg des Unmenschlichen führt, nirgendwo ...

... Es gibt in der Philosophie Elemente, die sind nicht verhandelbar. Dazu gehört der Universalismus der Menschenrechte. Der Respekt vor der Andersartigkeit der Kulturen lässt deren Einschränkung auf keinen Fall zu. Eine Kultur bricht nicht wie eine Kathedrale zusammen, wenn man einen Baustein, zum Beispiel die Todesstrafe, herauszieht. Menschenrechte - und dazu gehört die Gleichheit von Mann und Frau, aber auch die Ächtung der Todesstrafe - können gerade für die Linke nicht relativiert werden. Sie sind schließlich kein Tarnmantel des Imperialismus, sondern der Wesenskern der Aufklärung ...

... Ich glaube, dass die europäische Tradition des engagierten Intellektuellen, der sich für das öffentliche Geschick einsetzt, der Verantwortung für den Lauf der Welt in sich verspürt, nicht am Ende ist ...

... Mein Ehrgeiz richtete sich nie darauf, Schule zu machen. Ich wollte kein akademischer Philosoph werden ...

... Ich bin links, weil ich in Umkehrung eines Goethe-Worts, die Unordnung der Ungerechtigkeit vorziehe ...

... Das Böse verschwindet nicht aus der Welt, nie. Man muss es akzeptieren und zugleich bekämpfen ...

... Die Renegaten sind doch das Salz der Erde, man muss ein Renegat sein! Sich in der Treue zu sich selbst einzumauern, wenn sie sich als Irrtum erwiesen hat, damit ist der Gipfel intellektueller Verdorbenheit erreicht. Man muss sich selbst untreu werden, wenn Treue das Verharren im Falschen bedeutet ...


(Bernard-Henri Lévy)

Montag, 29. März 2010

Dialektik

„Insofern fällt der dialektische Begriff des Ganzen nicht unter die berechtigte Kritik an den logischen Grundlagen jener Gestalttheorien, die auf ihrem Gebiete Untersuchungen nach den formalen Regeln analytischer Kunst überhaupt perhorreszieren; und überschreitet dabei doch die Grenzen formaler Logik, in deren Schattenreich Dialektik selber nicht anders scheinen kann denn als Schimäre“
(Jürgen Habermas)


Kapiert?

Sonntag, 21. März 2010

Die Sonntagsfrage

Wo hört eine Stellung auf, und wo fängt sie an? Es gibt Fragen, die einem nur Sonntags kommen.
Na ja, schließlich hört man doch ständig von diesen vielen Stellungen, die manche super gelenkigen Menschen praktizieren, wenn sie Sex machen. Das Kamasutra ist für den Normalo so was wie eine Sexbibel, - der Normalo hat zwar schon mal was davon gehört, ist aber im Detail total unfähig. 99% der Menschen sind Normalos. Sie wollen oben oder unten liegen und sind letztlich durch die Vielzahl der anderen Möglichkeiten nur verwirrt. Ich frage mich an Tagen wie heute, an Sonntagen, also in der postsexuellen Ruhephase nach Sportstudio und Deutschland sucht den Superstar, ob diese Stellungskünstler uns, den Normalos, nicht was vormachen. Jetzt in Echt: wo hört eine Stellung auf, und wo fängt die neue an? Genügt das Abwinkeln eines Gliedmaßes um wenige Winkelgrade, dass man dies als neue Stellung oder Position erklären kann? Reicht es bereits, sich als Mann in der Missionarsstellung etwas weiter nach links oder nach rechts zu neigen, oder die Beine anzuziehen, um damit als neue Sexposition vor seinen Freunden zu prahlen? Gäbe es einen Wettbewerb, wo es darum ginge, wer die meisten Stellungen beherrscht, - welche Kriterien würde eine Jury anwenden, um zwischen den Stellungen zu differenzieren?
Man könnte dies auch auf die Politik übersetzen: bedeutet ein rhetorischer Furz bereits etwas politisch Neues? Oder auf die Religionen übertragen: ist der Gott ein anderer, wenn wir ihm ein paar andere Propheten zuordnen?

Ich gebe zu, dass körperliche wie rhetorische Gelenkigkeit von Vorteil ist, wenn man zwischen den Stellungen wechselt. Aber wird dadurch der Sex besser?

Dienstag, 16. März 2010

Das Comeback des Jahres

Michael Schumacher feierte sein Comeback auf der Rennstrecke von Bahrain mit einem sechsten Platz.
In einem Zeitungsinterview hatte er vorher gesagt:"Man muss nicht immer gewinnen, um trotzdem gewonnen zu haben." Mal schauen, wie oft er sich seine Aussage in dieser Formel 1 Saison zu Herzen nehmen muss.
Ich erwischte mich dabei, dass ich nach Längerem wieder ein Rennen mit einiger Spannung erwartete. Die Rennsaison des Vorjahres verfolgte ich so gut wie nicht. Man kommt nicht drum rum: Michael Schumachers Comeback wirkt sich als Hype auf das Interesse für die Formel 1 aus, - hauptsächlich (aber sicher nicht nur) unter der deutschen Bevölkerung. Jahrelang war man auf ihn als Boliden geeicht, und nun tritt der Pawlowsche Effekt ein ... Was aber, wenn Schumacher die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllt? Sicher wird er auch als Verlierer etliche Milliönchen dazu verdienen, obwohl er behauptet, dass es für ihn keine Frage des Geldes war. Ich nehme es ihm sogar ab, dass ihm das "Im Kreis Herumfahren" wieder heiß macht. Ich hoffe nur, dass er sich von den Geschäftemachern nicht verbraten lässt. Denen ist nur die Medienwirksamkeit seiner Person wichtig. Es wäre ein gewaltiger Kratzer auf seinem Siegerimage, und es wäre eine persönliche Niederlage, die er vielleicht doch nicht ganz so souverän, wie in dem Interview ausgedrückt, wegstecken könnte. Man muss zwar nicht immer gewinnen, um trotzdem gewonnen zu haben, - aber wie ist das für einen erfolgsverwöhnten Michael Schumacher? Hat er die Stärke, die Saison durchzuhalten, wenn er abgeschlagen nicht vorne dabei ist, nicht um den Weltmeistertitel mitfahren kann, wenn er nicht in der 1. Reihe, noch in der 2. und 3. Reihe steht? Die Menschen wollen Schumacher siegen sehen, sie werden sich aber auch an seinen Niederlagen ergötzen. Schumacher spürte (vielleicht) noch zu selten die Grausamkeit der Öffentlichkeit. Sein Werdegang als Rennfahrer ist eine astreine Erfolgsstory. Ist ihm klar, was er mit seinem Comeback aufs Spiel setzt?
Ja, er wird all dies bedacht haben. Aber der Reiz war wohl zu groß, - mit Ross Brawn an seiner Seite, mit Mercedes. Wäre er den Tifosi treu geblieben, hätte er vielleicht bereits in Bahrain das Siegertreppchen besteigen dürfen ... So ist das Leben. Die Würfel sind gefallen.
Abgesehen von Schumacher gibt es eine ganze Riege junger, interessanter Fahrer, die durch das aufflammende Medieninteresse für ihre Karriere profitieren können. Wenn Vettel nicht von zu viel Pech verfolgt wird, sollte er Weltmeister werden. Er steht am Anfang einer vielleicht großen Karriere, Schumacher steht am Ende. Schumacher ist Jurassic Park. Doch genau dies elektrisiert die Zuschauer: Formel 1 ist Jahrmarkt. Findet der Dino Saurier im heutigen Rennzirkus wieder seinen Platz als Bolide?
Die Medien überspitzen, - sie sind die Marktschreier. Und Ecclestone sowie Konsorten werden absahnen.
Das Ganze ist eine Parabel auf das Leben mit seinen Eitelkeiten, Etiketten, Intrigen, Kämpfen, Siegen und Niederlagen. Ich wünsche Michael Schumacher alles Gute für sein Comeback und interpretiere seinen Ausspruch wie folgt: Wenn das menschliche Antlitz gewinnt, gibt es einen respektvollen Platz für Gewinner und Verlierer gleichermaßen.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Tatort Kirche

Das Leben ist immer noch das beste Prosagedicht. Wie sich prosaisch die Karten mischen und beinahe lyrisch ausgespielt werden. Während die katholische Bischofskonferenz unter öffentlichem Druck wegen der Flut von Missbrauchsfällen in ihren Reihen zusammentritt, fährt die evangelische Vorzeigebischöfin betrunken bei Rot über die Ampel. Das Leben ist ein fantastischer Regisseur, besser als Tarantino und Scorsese zusammen. Das Leben ist gleich einem Felsblock, der dem Bildhauer bereits grob vorgibt, wo er den Meißel anzusetzen hat. Das Leben ist ein schrecklicher Partywitz, bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
Schön, wenn eine moralische Instanz wie die Kirche sich endlich nicht mehr wegducken kann. Schön, wenn man daraus die Lehre ziehen kann, dass einen der Glaube nicht per se zum besseren Menschen macht. Endlich scheint etwas Licht unter die Taläre. Mal sehen, wie lange das Transparenzbedürfnis anhält - würde mich wundern, wenn nicht alles wieder nach ein paar aufgeregten Wochen im Dickicht von Heuchelei und Lügengestrüpp verschwände. Noch lange ist die Kirche nicht bereit, den Teufel bei den Hörnern zu packen. Sie müssten zugeben, dass mancher honorige Kirchenmann beim Herrscher der Hölle unter Vertrag steht, und dass man seit dem Mittelalter nicht wirklich viel dazu lernte. Immer noch wird eifrig bestritten, dass das Zölibat mit ursächlich für die Missbrauchsfälle ist. Warum ist der evangelische Pfarrer aber scheinbar gegen diese Sünde gefeit? Es ist unglaublich, wie die Kirche seit jeher ihr eigenes Süppchen kochen kann, wie über die Rechte und Gefühle der unzähligen Opfer hinweg gegangen wird, und wie man mittels politischem und gesellschaftlichem Einfluss die begangenen Straftaten an einer gesetzlichen Verfolgung vorbei manövriert. Eine Schande in einer Gesellschaft, in welcher man als Kind, welches sich nicht wehren kann, getauft wird und später automatisch als Arbeitnehmer Kirchensteuer zahlen muss. Eine Schande für eine christlich orientierte Kultur. Ich trat als junger Mensch Anfang Zwanzig aus der Kirche aus. Ich mochte den Mief der Kirche nicht. Der Religionsunterricht in der Schule war langweilig. Mit den kirchlichen Zeremonien konnte ich nichts anfangen. Mir war das ganze Affentheater Gottesdienst mit seinem klerikalen Prozedere sehr schnell zuwider. Als Lausbub kippte ich an den Kirchenausgängen Tinte in die Weihwasserbecken. Die Pfarrer und Priester waren mir in ihren Talären schon immer suspekt - mindestens so suspekt wie die Götter in Weiß. Ich begriff nicht, warum sie vor meinen Eltern und den anderen Erwachsenen einen solchen Respektsvorsprung genossen. Diese Kirchenleute waren mir unheimlich.
Nun bekam ich trotzdem einiges mit von Geschichten der Bibel, insbesondere des Evangeliums. Heute würde ich sagen, dass mir Jesus in vielen seiner Aussagen sympathisch ist, weil Jesus eben nicht allein im Besitz der Kirche ist, sondern von jedem Menschen für sich ausgelegt werden kann; - dass ich erkenne, wie er gegen die Unarten des Menschen wie Gier, Hass, Krieg, Lüge und Betrug ankämpfte, wie er die Menschen zu Frieden, Toleranz und Demut läutern wollte. Manchmal denke ich, dass Jesus sich im Grab umdrehen würde, sähe er, was die Kirche unter seinem Namen und unter dem Symbol des Kreuzes bis in die heutige Zeit hinein für Schandtaten treibt. Die Kirche wurde mächtig - und sie klebt an ihrer Macht und instrumentalisiert den Gottglauben, um die Menschen als ihre Schäfchen zu dirigieren und zu manipulieren. (Dasselbe gilt freilich ebenso für Religionen wie Islam und Judentum.)

Erst vor Kurzem fragte mich mein Arbeitgeber (Diakonie), ob ich es für möglich hielte, wieder in die Kirche einzutreten. Als Altenpfleger sollte ich glaubwürdig die Gesinnung der diakonischen Einrichtungen repräsentieren. So oder ähnlich drückte er sich aus.
Wisst ihr was? Irgendwie bin ich richtig froh darüber, dass Frau Käßmann betrunken bei Rot über die Kreuzung bretterte ... (und erwischt wurde.)

Sonntag, 21. Februar 2010

Wir sind das Volk

Nach Hitler, nach 40 Jahren Mauer ... kommen erneut Politiker, die jene verhöhnen, die sie wählten; kommen Demagogen und Populisten, die ihre Zuhörer betrügen; kommen Bankiers und Kapitalisten, die die Menschen, von denen sie leben, gnadenlos ausbeuten ...

Der Wahnsinn hat Methode. Anscheinend wollen wir beschissen werden.
Ewig grüßt das Murmeltier: der Fisch stinkt vom Kopf. Und der Kopf wächst ständig nach.
Wir sind das Volk!

Mittwoch, 17. Februar 2010

Meine Aschermittwochsrede

Wer hätte gedacht, dass die Deutschen derart faul sind, wie sie zur Zeit von Politikern wie Westerwelle hingestellt werden? Ausgerechnet der Deutsche, der vor ein paar Jahrzehnten seine Panzer und Geschütze vor Stalingrad parkte und unter dem General Rommel in Afrika kämpfte; der ehrbare und fleißige Deutsche, weltweit bekannt und geachtet durch "deutsche Wertarbeit", wird nun von der eigenen Politikerriege zum faulen Stinktier erklärt, der lieber mit Hartz IV vor sich hingammelt als pflichtbewusst zur Tat zu schreiten.
Ich höre gerade Westerwelles Aschermittwochsrede und bedaure, dass man nicht durch den Fernseher hindurch mit Tomaten werfen kann. Ausgerechnet er redet von dekadenten Entwicklungen ...
Nein, versteht mich nicht falsch, ich habe keinerlei Vorurteile. Aber noch nie war mir ein Schwuler derart unsympathisch. Davon abgesehen mochte ich ihn noch nie. Schon damals in den Achtzigern, als er, glaube ich, als jüngster Generalsekretär erstmals ins politische Rampenlicht trat. Er gehört zu den Politikern, denen ich niemals abnehme, was sie vom Podium herunter erzählen. Bewundernswert ist alleine seine Beharrlichkeit. Er gehört für mich zur Kohlära wie Merkel. Die Deutschen gewöhnen sich an Gesichter wie an Sitzkissen. Scheiße, wer so alles bei den letzten Wahlen gewählt wurde.
Asche über mein Haupt. Immerhin wählte ich niemals konservativ, rechts oder liberal. Lieber schredder ich meinen Stimmzettel. Das Schlimmste, was ich je wählte, war Gerhard Schröder. Aber nach sechzehn Jahren Kohl - mein Gott! Ich behaupte: des Bürgers schwerster Gang nach Abschaffung der Todesstrafe ist der Gang zur Wahlurne ...
Der Deutsche ist inzwischen auch zu faul für diesen Gang. Die Wahlbeteiligung sinkt wie ein deutsches U-Boot vor Gibraltar. Was ist nur los mit der obrigkeitshörigen, duckmäuserischen deutschen Seele? Tut uns am Ende die Demokratie nicht gut? Ich nehme es an. All diese dekadenten Entgleisungen wären unter Hitlers harter Hand nie möglich gewesen. Für Hartz IV Empfänger gäbe es Arbeitslager, wo sie konzentriert für die Gesellschaft arbeiten dürften. Faulheit wäre ein Unwort. Lieber tot als faul.
(Wo wäre wohl Westerwelle im Dritten Reich gelandet?)
Politiker wie Westerwelle wecken nicht nur Animositäten in mir - ich nehme gern ihren gedanklichen Faden auf: was haltet ihr z.B. von einer rezeptfreien Vergabe von Zyankalikapseln an Arbeitslose? Sozusagen um sich wenigstens tot als vollwertiges Mitglied in unserer Leistungsgesellschaft zu rehabilitieren. Wer gilt schon gern als Schmarotzer und lässt sich ständig über die Medien oder von Amtswegen demütigen?
Ich war in meinem Erwachsenenleben ein Jahr lang Stützeempfänger. Und ich kann euch sagen, dass es für mich keine einfache Faulenzerzeit war. Damals war Kohl noch am Ruder. Er redete vom "Freizeitpark Deutschland". Gut eineinhalb Jahrzehnte ist das nun her. Wenn ich heute Politiker wie Koch und Westerwelle solche "asozialen" Reden schwingen höre, kriege ich ein Déjà-Vu Gefühl, und in meiner Brust krampft sich etwas schmerzhaft zusammen. Ich fühle mich (wie damals von Kohl) verhöhnt.

Wäre ich nur nicht so faul, wäre ich Politiker geworden. Und nicht gerade Altenpfleger. Immerhin sind beide Jobs krisensicher: Politiker und Altenpfleger. Wir werden sie immer brauchen. Die Einen zum Scheiße labern und die Anderen zum Scheiße wegwischen.

Mittwoch, 23. Dezember 2009

"Avatar - Aufbruch nach Pandora"

Regie: James Cameron


Ein High Tech - Science Fiction Western


Ich saß in der vorletzten Reihe, ganz rechts außen, um niemanden zu bemühen, wenn ich pinkeln mußte. Vorher hatte ich eine Feuerzangenbowle mit Schuss auf dem Weihnachtsmarkt geschlabbert. Und im Irish Pub verkürzte ich die Wartezeit mit Weihnachtsbier. Die Nachmittagsvorstellung war hauptsächlich von Jugendlichen besucht, die erwartungsgemäß keine 160 Minuten ruhig sitzen bleiben konnten und auch den Ernst vermissen ließen - schließlich konnte die Story von “Avatar” schon nachdenklich stimmen. Aber die Kids interessierte natürlich mehr die Action, die faszinierenden Bilder und die Effekte, mit denen im Film wirklich nicht gegeizt wurde.
Schon bald war die Geschichte voller Klischees: da die Eroberer als Aliens von der Erde, denen es nur um die Ausbeutung des Planeten Pandora ging, und auf der anderen Seite die fremde und geheimnisvolle Kultur der Eingeborenen, die von dem Helden, ein Soldat im Rollstuhl, der in einen künstlichen Körper, einen "Avatar", schlüpfen konnte, quasi wie im Traum entdeckt wurde. Er lernte die fremden Wesen, ihre Welt und Gebräuche kennen, und er verliebte sich in die Tochter eines Häuptlings. Sehr bewegend und bunt wurden die Erfahrungs- und Lernexkursionen des Avatars geschildert, und man erlebte die innere Wandlung des Helden hin zu der exotischen und fremden Welt und ihren Bewohnern. Diese Filmstrecke ( etwa in der Mitte) war für mich am kurzweiligsten und interessantesten. Bald war klar, dass es auf einen Kampf zwischen David und Goliath hinaus lief. Eigentlich war der Film eine Art Western - ein "Science Fiction Western": Kavallerie gegen Indianer. So war ich dann auch genervt von dem vielen Kampfgetümmel mit dem üblichen Geballere und Heldenethos, was viel zu viel Platz gegen Ende einnahm. Die Ureinwohner würden mit der tatkräftigen Hilfe des Avatars, der zum Überläufer wurde, irgendwie die “Aliens von der Erde” zurück drängen - oder auch nicht - denn wieder mal schaffte ich das Ende, wie schon bei “2012”, nicht ganz, weil: zu viel Geballere eben, alte Klischees, das vorhersehbare Endgefecht zwischen Gut gegen Böse, oft lasche Dialoge, keine unbedingt tiefgehende inhaltliche Auseinandersetzung …
Anders als bei “2012” kamen die Charaktere zwischenzeitlich etwas besser und tragender zur Geltung (z.b. Sigourney Weaver). Das Kinospektakel von “Avatar” war nicht ganz so seicht. Technisch gesehen ist der Streifen sicher eine Meisterleistung. Die exotische, fremde Welt ist fantastisch gut gezeichnet. Die kommerzielle Ausrichtung senkt allerdings mal wieder deutlich das Niveau. Ich hätte noch einige Feuerzangenbowlen mit Schuss gebraucht, damit auch für mich ein gutes Kinoerlebnis daraus geworden wäre.
Schade, wenn ich mir überlege, wie viel Arbeit, kreative Energie und Geld in solch monumentalen Projekten wie “2012” und “Avatar” steckt. Sie werden im Vorfeld hoch gepriesen, gereichen aber nur im Sektor Computertechnik den Qualitätserwartungen.

Dienstag, 17. November 2009

"2012" - Der Flop

Ich verließ eine halbe Stunde vor Schluss die Vorstellung. Der Film war eine Katastrophe. "2012" von Emmerich - die Krönung von Hirnverbranntheit gebannt in einem Kinofilm mit Überlänge. Der Streifen hatte so viel Tiefgang wie meine Duschwanne. Nun gut, "Tiefe" ist nicht gerade das Kriterium für einen Katastrophenfilm. Ich wollte wenigstens gut unterhalten werden, fühlte mich jedoch wie in einem drittklassigen Indiana Jones Abenteuer - ohne wirklich witzige Einlagen, und ohne das Flair eines Indiana Jones. Da waren streckenweise nur die computeranimierten Katastropheneinstellungen. Alles flog über- und durcheinander, mittendrin John Cusacks Familie, die wundersam überlebte, während die Erde sich unter ihnen auftat.
Gegen Ende spielte sich dann alles in irgendwelchen monströsen "Archen" ab, die für Reiche, Superreiche und VIPs im Falle des Weltuntergangs (mal einfach so) bereit lagen. Die riesigen Schiffe waren im Himalaya versteckt. Überdimensionale Tsunamis rollten inzwischen über die Kontinente und verschluckten die Welt mit Mann und Maus. Schließlich brach eine Flutwelle auch über das Himalaya Gebirge herein. Ein betender Mönch wurde von einem Gipfel gespült ..., und die Welle raste auf die Archen zu. Gnädigerweise hatte man sich dort dazu durchgerungen, die Tore der Schiffe für die verzweifelten "Statisten" zu öffnen. Mir kamen fast die Tränen ..., und da musste ich einfach das Lichtspieltheater verlassen, einem Impuls zwingend folgend nach zwei Stunden Katastrophe. Nein, ich konnte das Ende nicht mehr abwarten, auch nicht mit noch einer Dose Bier - und wer mich kennt, weiß, das heißt schon was.

An sich interessiert mich das Thema "2012", nicht weil ich an Weltuntergangsprophezeiungen glaube, sondern weil ich einen Weltuntergang, was auch immer ihn herbeiführt, für gar nicht unwahrscheinlich halte. Alles geht einmal zu Ende - auch die Welt, wie wir sie kennen. Ich will mich gar nicht an den möglichen Katastrophenszenarios aufgeilen. Mir geht es mehr um eine geistige Auseinandersetzung mit der Endlichkeit und um das Begreifen, dass wir Menschen auf einem Planeten leben, der wie ein lebender Organismus funktioniert. Doch die Menschheit verhält sich zunehmend wie ein Krebs, der überall Metastasen bildet und die gesunde Umgebung zerstört. Die Menschheit selbst ist eine hinreichende Katastrophe, gut genug für einen Weltuntergang. Wir müssen weder Meteoriten, Aliens, Neutrinostürme noch Mega-Vulkane bemühen.
Auch wenn ich also nicht an Weltuntergangsprophezeiungen, ob von Nostradamus oder den Mayas, glaube, finde ich die Mystik, die in ihnen steckt, durchaus spannend und aufregend - sozusagen als Gegenpol zum überbordenden Rationalismus unserer Zeit. Ich lese darin vor allem die Botschaft, dass wir wirklich auf eine Apokalypse zusteuern, wenn wir, die Menschen, unser (selbst)zerstörerisches Tun nicht umkehren.

Emmerichs Katastrophenfilm hat noch nicht mal das Zeug zu einer guten Verarsche. Er eiert haltlos durch alle möglichen Genres. Meine Erwartungen waren falsch. In der Pubertät, da war ich eine Zeit lang knallharter Katastrophenfilmfan. Mein Freund und ich zählten damals die Toten und beurteilten die Filme danach: je mehr Opfer, desto besser. Da kam ich nun über dreißig Jahre zu spät in "2012".

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