Sonstiges zur Diskussion
Der neue Bundestag konstituiert sich. CDU und SPD treten in Koalitionsverhandlungen. Bis Weihnachten soll die neue Regierung stehen. Mal sehen.
Nur die SPD-Mitglieder können die Große Koalition noch kippen. Eine Restspannung bleibt. Ob es ein kluger Schachzug von der SPD war, am Ende die Mitglieder zu befragen? Ich bin mir nicht sicher. Die Stimmung an der Basis ist nicht gerade positiv der Großen Koalition gegenüber. Es wird nicht einfach für die SPD-Führung, die nötige Überzeugungsarbeit für eine Regierungsbeteiligung unter Merkel zu leisten. Was werden sie von ihrem Programm in den Verhandlungen durchsetzen können?
Nun ja, es kommt, wie`s kommt. Wir können uns auf die nächsten vier Jahre Kasperletheater im Bundestag freuen. Sicher werde ich wieder manche Stunde andächtig den Reden unserer Politiker folgen. Hinterher bin ich dann so schlau als wie zuvor. Aber immer noch informierter als von Stefan Raab. Und sogar besser unterhalten. Geschmäcker sind halt verschieden. Manche Politiker sind mir mit den Jahren richtig ans Herz gewachsen. Der ein oder andere gibt sich echt Mühe. Was will man mehr? Politiker sind keine Bischöfe sondern normale Menschen – wie du und ich. Sie dürfen mies sein. Sie dürfen lügen. Sie dürfen ficken. Sie dürfen albern sein. Sowieso macht Merkel alles alleine. Ich finde, eine Krone würde ihr gut stehen. Natürlich keine protzige sondern eine ganz kleine.
Stück für Stück geht es voran. Der Politik-Zug ruckelt in die nächste Legislaturperiode. Allzu viel Hoffnung auf mehr soziale Gerechtigkeit, speziell eine Aufwertung der Altenpflege, hege ich nicht. Es wird vielleicht ein wenig an der ein oder anderen Stellschraube gedreht, aber grundlegende Reformen sind unter Merkel kaum zu erwarten – egal, mit wem sie zusammen regiert. Es gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl, wenn man mal davon absieht, dass die FDP im neuen Bundestag nicht mehr vertreten ist. Einen hohen Stellenwert wird nach wie vor die Europapolitik haben. Europa ist eine verflucht große Baustelle.
Dann lassen wir sie mal in Ruhe arbeiten, unsere Volksvertreter. Bei allen Vorbehalten und aller Skepsis wünsche ich ihnen Mut, Durchsetzungskraft und Erfolg, den Zug auf den Gleisen zu halten und im Sinne der Bürger voran zu bringen.
Da geht man brav wählen, und die Knaller kriegen keine Regierung zustande. Jede der Parteien denkt nur an ihren eigenen Arsch. Sondierungs- und Koalitionsgespräche – es kann sich nur noch um Monate handeln. Die Roten wollen eigentlich gar nicht. Die Schwarzen warten auf besser Wetter. Und die Grünen haben mit sich selbst genug zu tun. Das reinste Kindergarten-Polittheater. Am Besten säuft man sich die Kutte zu. Angezapft ist!
Überdruss macht sich bei mir breit. Was da zur Zeit abläuft, stinkt gewaltig zum Himmel. Wer vor der Wahl noch nicht politikmüde war, wird jetzt langsam und grausam weichgeklopft. Wie bereits gesagt:
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Wenn es wirklich zu Neuwahlen käme, sollten die Bürger die politischen Parteien für ihre Unfähigkeit deutlich abstrafen – entweder dadurch, dass man gar nicht wählen geht; oder noch besser: alle wählen FDP!
Inzwischen strickt Mama Merkel weiter an ihrem Winterschal … und für Seehofer einen wollenen Sackwärmer, damit er sich im Festzelt nichts holt. Der hat momentan sowieso ziemlich dicke Eier.
Es ist zum Mäusemelken. Bei Interviews oder Polit-Talks würde ich am Liebsten in den Fernseher springen. Verblödungs-Steuern sollten eingeführt werden!! Was wir da bei unseren sogenannten Spitzenpolitikern eintreiben könnten, würde den gesamten Bundeshaushalt sanieren!
Doch wozu Aufregen … Ist es nicht auch beruhigend, dass man von Deppen regiert wird? Irgendwie ungeheuer menschlich, finde ich. Prost!
Dass die CDU zulegen konnte, hat sie der starken Führungsfigur Angela Merkel zu verdanken, die beim Volk beinahe überparteilich als Mutter der Nation rüber kommt. Ich sympathisiere nicht mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin, muss aber ihre Führungsstärke anerkennen. Sie erarbeitete sich mit den Jahren so was wie eine Unangreifbarkeit.
Irgendwann wird jedoch auch ihre Zeit vorbei sein.
Die SPD landete in etwa dort, wo sie vorhersehbar mit ihrem Kandidaten Peer Steinbrück landen konnte. Es hätte nach dem vielen Bockmist schlimmer kommen können.
Die FDP flog zurecht raus. Sie degenerierte zur reinen Klientel-Partei. Und dann das Kasperle Theater in den eigenen Reihen. Dieser Dämpfer tut der FDP sicher gut.
Die Grünen verzockten sich gehörig. Trittin trat meiner Meinung nach zu arrogant auf. Am Ende des Wahlkampfs dann noch der Blick auf die Pädophilen-Geschichte.
Die Grünen sind für die Menschen eine Öko-Partei. Der programmatische Ausflug in die Finanz- und Steuerpolitik kam nicht gut an und verzerrte das Bild von den Grünen in der Öffentlichkeit.
Es freut mich für die Linke, dass sie wieder ins Parlament einzieht – diesmal sogar als drittstärkste politische Kraft. Die etablierten Parteien, vor allem die SPD, werden sich ernsthafter mit der Linken auseinandersetzen müssen. Sie ist für mich derzeit die einzige Partei, welche glaubhaft für mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland eintritt.
Dass die AfD beinahe die Fünfprozenthürde geknackt hätte und in den Bundestag eingezogen wäre, sollte einem zu denken geben. Das Projekt Europa wird bedingt durch die Finanzkrise mittlerweile von vielen Bürgern skeptisch bis ablehnend gesehen. Diese Ablehnung ist Nahrung für die nationalistischen Kräfte am rechten Rand des politischen Spektrums.
Fazit:
Wenn man keine Neuwahlen will, und Rot-Rot-Grün ausgeschlossen ist, und die CDU nicht mit den Grünen kann, bleibt nur (mal wieder) die Große Koalition. Wir werden in den nächsten Tagen mehr oder weniger dieselben Statements rauf und runter hören. Niemand will Butter bei die Fische machen. Dabei ist, finde ich, längst klar, worauf es bei diesem Wahlergebnis hinausläuft. Die SPD ziert sich freilich noch …, in einer von Angela Merkel geführten Regierung an Profil einzubüßen, wo sie doch erst dabei war, wieder etwas mehr Profil zu bekommen. Es werden harte Koalitionsverhandlungen.
Neuwahlen kann eigentlich keiner wollen, oder?
Das Leben ist ein Labyrinth. Oder eine Art Spinnennetz. Vielleicht beides. Die Kreuzspinne baute ihr Netz vor meinem Fenster bereits wieder ab. Es gab dort wohl nichts für sie zu holen. Wir Menschen tun uns schwerer mit dem Auf- und Abbauen unseres Zuhauses. Wir scheinen manchmal regelrecht an einem Ort festzukleben – auch wenn es dort nichts mehr zu holen gibt. Na ja, Spinnen haben es aber auch einfacher. Sie kennen weder Grenzen noch Bürokratie. Sowieso haben sie keinen Arbeitgeber.
Es ist leicht dahingesagt: Wechsel doch den Arbeitsplatz, wenn es dir stinkt. Ziehe um! Wer hindert dich daran?
Ich denke, dass ein Ortswechsel keine Probleme löst, sondern erst mal nur neue schafft. Ohne eine große Motivation oder triftige Gründe ist es ziemlich blödsinnig, die Zelte Hals über Kopf abzubrechen. Man sollte wenigstens einigermaßen wissen, was man will.
Ich frage mich oft, warum alles so umständlich ist. Ich bin neidisch auf die Freiheit der Spinne. Sie kriegt weder Post vom Finanzamt noch von der GEZ. Dabei gebe ich mir schon Mühe, nicht zu viele Abhängigkeiten einzugehen.
Mitgefangen mitgehangen: Alle paar Jahre dürfen wir zwar durch ein Kreuzchen mitbestimmen, wer zukünftig die Politik macht; aber unsere Steuern müssen wir immer zahlen.
Der Staat kommt mir manchmal wie eine überdimensionale Spinne vor, in deren Netz ich gefangen bin – und ausgesaugt werde. Ja, ich weiß: Das Allgemeinwohl muss finanziert werden. Und das Netz ist doch nur dazu da, um mich aufzufangen, wenn es mir mal schlecht gehen sollte. Da kriege ich fast einen Lachkrampf ...
Schön und gut.
Wenn es dir hier nicht gefällt, kannst du gehen. Wenn du glaubst, dass es woanders besser ist, dann gehe doch dort hin!
Und an diesem Punkt wird das Netz zu einem Labyrinth. Alles ist total verwirrend. Ohne Jura und Steuerrecht studiert zu haben, blickt man kaum durch. Die Spinne Staat kann ihre Bürger aussaugen, solange sie ihnen erfolgreich einredet, dass es ihnen noch verhältnismäßig gut geht, - und solange alles für den Ottonormalbürger schön kompliziert und unübersichtlich bleibt.
Zu dem labyrinthischen Spinnennetz gehören Banken, Versicherungen und Industriemagnaten. Sie werden immer fetter, und wenn sie doch mal drohen abzustürzen, retten wir sie mit unserem sauer verdienten Geld.
Wie frei sind wir? Wie frei wollen wir sein?
Am nächsten Sonntag haben wir in Deutschland Bundestagswahlen.
Langsam nimmt der Herbst Anlauf. Es wird etwas ungewohnt für mich sein, wieder in die langen Bluejeans zu schlüpfen und Strümpfe anzuziehen.
Die Jahre reihen sich wie Perlen auf einer Schnur aneinander. Ich blicke auf nahezu 51 zurück. 51 mal durchlief ich die vier Jahreszeiten, freute mich auf Frühling und Sommer und freute mich auf den ersten Schnee. Nun wird bald der Herbst die Landschaft mit seinen Rot-, Gelb- und Brauntönen in ein bezauberndes, buntes Bild verwandeln. Wind und Feuchtigkeit wird die Tage bestimmen, - die Luft nach Erde riechen. Wenn ich zum Nachtdienst fahre, wird der Abend dämmern, und morgens werde ich im Dunkeln nach Hause kommen ...
Schwer ist mir ums Herz. Es liegen aufwühlende Monate hinter mir. Der Kreislauf des Lebens schlug gewaltig zu. Wir selbst haben unsere Jahreszeiten. Es wird der Tag kommen, an dem wir loslassen müssen und wie ein Blatt von einem Ast hinunter auf die Erde torkeln, um dort zu verrotten.
Langsam nimmt der Herbst Anlauf – auch für mein Leben. Nun, ich will diese Analogie nicht überanstrengen. Man kann froh sein, wenn man halbwegs gesund in das fortgeschrittene Alter kommt. Die Früchte des Lebens schmecken dann süßer, aber man selbst gewinnt an Herbe – im Aussehen und in der Stimme. Vielleicht wird man auch knorriger im Wesen und ächzt verstärkt unter den Lasten ...
Gestern Abend überlegte ich mir, ob das Leben nicht ein großes Rätsel ist. Erst im Tod offenbart sich die Lösung. Das Bewusstsein, wie wir es in unserem Alltag erfahren, versperrt uns die Sicht hinter die Dinge, hinter die Bühne des Daseins. Wir erleben nur den winzig kleinen Ausschnitt unserer Bedürfnisse und Nöte, unseres Glücks und unserer Niederlagen. Jeder geht seinen Weg anders, jeder sieht die Welt unterschiedlich. Trotzdem kommen wir aus einer Quelle. Tief in uns gleichen wir uns mehr, als uns lieb ist. Die Liebe ist eine von zwei Kräften, welche alle Grenzen überwindet. Die andere Kraft ist unser Verstand. Und beide Kräfte können versagen.
Müssen wir bis zum Tod auf das Licht für unsere Seelen warten? Als Künstler bin ich ungeduldig. Ich werfe dem Leben mein Herz zu Füßen. Ich streite mit der Oberflächlichkeit. Ich hadere mit der gesamten Existenz. Töricht wie Der Ritter von der traurigen Gestalt jage ich einem Gespenst hinterher – das bin ich selbst!
Es gibt viele Momente, wo ich innehalte und mich frage: „Bin ich das?“ Oder: „Wer ist das?“
Und weitergesponnen: „Wer sitzt in meinem Kopf und gibt vor, ich zu sein? Wie viel ist mein Bewusstsein eigentlich wert?“
Sind das allzu morbide Gedanken? Verliere ich mich, wenn ich mir solche Fragen beharrlich stelle? Und wer sollte mir die Fragen beantworten, wenn das Ich nur eine Farce ist – eine Irreführung? Wer bin ich noch ohne diesen Popanz? Worin steckt des Rätsels Lösung?
Ob das meine einzigen Probleme sind, die ich habe? Dann müsste es mir doch gut gehen. Ihr habt recht. Ich vergesse oft, warum ich hier bin. Unter der Oberfläche gibt es nichts mehr. Es gibt kein „Hinter der Bühne“. Die Kunst ist nur Mache für elitäre Gefühle, - und das Philosophieren eine Sache der Narren.
Schon mal was von
Phubbing gehört? Schon mal
gephubbt worden? Bestimmt.
Ich gebe zu, dass ich, wenn ich alleine unterwegs bin, auch häufig zum Smartphone greife. Aber in Gesellschaft lege ich es weg. (Ich rufe meine E-Mails ab, wenn mein Gesprächspartner gerade auf der Toilette ist. So gehört sich das!)
Ich empfinde es als brüskierend, wenn mein Gegenüber während einer Unterhaltung ständig mit dem Handy oder Smartphone beschäftigt ist. Aber wie soll man dieser Unsitte begegnen? Durch Maßregelungen? Ignorieren? Selbst das Smartphone hervorholen?
Phubbing ist ein Phänomen, das immer öfter und in immer mehr Alltagssituationen auftritt. So z.B.
Phubbing im Gottesdienst, bei der Arbeit, am Operationstisch, sowieso im Auto, beim Sex, beim Bergsteigen … Jeder mag da seine Phantasie spielen lassen. Und kommen die
Datenbrillen erst mal auf den Markt, werden wir das
Phubbing unserer Zeitgenossen kaum noch bemerken – außer dadurch, dass sie seltsam abwesend erscheinen (die Multitasking-Begabten freilich ausgeschlossen).
Alle Prostituierten werden dann diese Datenbrillen tragen; und während sie Sex mit ihren Kunden machen, sehen sie auf dem Display Brad Pitt oder eine schöne Landschaft oder Blumen, oder sie lesen Wittgensteins Traktate.
„Hey Baby, kannst du`s nicht mal ohne Brille machen?!“
„Ohne Brille kostet es das Doppelte.“
„Gut, dann 1x Blasen ohne.“
Uff! Was für Zukunftsvisionen! Es regnet. Im Fernsehen läuft Schrott. Ich warte auf den letzten Nachtdienst. Könnte ich mich doch
wegphubben ...
Nicht nur Soldaten sind potentielle Totschläger und Mörder sondern auch Autofahrer. Das Auto fungiert als Waffe, nicht unbedingt gegen einen bestimmten Feind gerichtet, aber es verführt zur bedrohlichen Anwendung, welche die Tötung argloser Mitmenschen in erheblichem Maße zu Folge haben kann. Bei einem leichtsinnigen oder bewusst rücksichtslosen Gebrauch der tonnenschweren PS-Maschine Auto schrecke ich nicht davor zurück, von Mord zu sprechen - ein Massenmord auf den Straßen, der von der Gesellschaft toleriert wird, weil die meisten Menschen von einem seit vielen Jahrzehnten herrschenden Autowahn stark beeinflusst sind.
Demgemäß sehen heute unsere Städte und Landschaften aus.
Ich empfinde es als tragisch, dass eine solche dumme und die Umwelt zerstörende Entwicklung zugelassen wurde.
Das Auto kann durchaus symbolisch für die Zerrissenheit des Menschen stehen - zerrissen zwischen Natur und Moderne, zerrissen zwischen Fortschrittswahn und Ethik, zerrissen zwischen Kapitalismus und sozialem Mitgefühl, zerrissen zwischen Glaube und Vernunft, zerrissen zwischen Theorie und Praxis, zerrissen zwischen Wahrheit und Lüge ..., zerrissen zwischen Recht und Gerechtigkeit.
Nicht nur Soldaten sind potentielle Totschläger und Mörder sondern auch Autofahrer - und wir alle, die Regierungen wählen, welche den Militarismus und den Autowahn auf dieser Welt unterstützen, machen uns schuldig.
Gestern erhielt ich per Post die Wahlbenachrichtigung für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 22. September 2013. Dies ist einer der seltenen Momente, wo ich mich als Bürger einer Demokratie fühle. Ich darf bewusst am demokratischen Prozess einer Bundestagswahl teilnehmen. Ich werde mit einem Kreuzchen – nein, mit zwei Kreuzchen – mitentscheiden, welche politischen Verhältnisse in Deutschland nach dem 22.09. herrschen werden. Dazu steht ein barrierefreier Wahlraum in meiner Nähe zur Verfügung. Dummerweise fällt der Wahltermin in einen einwöchigen Urlaub, wo ich wahrscheinlich verreist sein werde. Also fordere ich einen Wahlschein mit Briefwahlunterlagen an.
Sicher wird meine Stimme nichts am Wahlergebnis ändern, welches leider schon so gut wie festzustehen scheint. Ich könnte meinen Wahlzettel ebenso gut in den Papierkorb schmeißen. Doch wenn nun alle so dächten … Manchmal muss man einen Kampf bis zum Ende durchstehen, auch wenn man offensichtlich verlieren wird. So was oder ähnliches denkt sich vielleicht Herr Steinbrück, der ja ein intelligenter Mann ist. Bei solch klaren Verhältnissen will gar keine rechte Wahlstimmung aufkommen. Es ödet einen an wie ein Boxkampf, bei dem die Sache im Voraus klar ist. Wir dürfen uns lediglich daran ergötzen, wie der Verlierer sich über die Runden quält und dabei noch versucht, Siegesgewissheit auszustrahlen. Anders als beim Boxkampf ist ein vorzeitiges K.O. ausgeschlossen.
Frau Merkel indes kann relativ ruhig der Wahl entgegensehen. Es ist nur noch ein Monat hin, und ich kann angesichts des zu erwartenden Ergebnisses noch nicht mal eine besonders negative Erregung verspüren. Alles kommt, wie es kommen muss. Die Menschen sind längst abgestumpft. Frau Merkel hat sie eingelullt. Beinahe könnte man annehmen, die Deutschen wären von ihrer Art in gewisser Weise hypnotisiert. Sie wirkt mit ihrer unprätentiösen Haltung ungeheuer souverän. Außerdem repräsentiert sie deutschen Fleiß, Ordnungssinn und Durchsetzungskraft. Selten kommt der Eindruck auf, dass sie eine Lage nicht im Griff hat. Nach dem Motto: Merkel gut – alles gut.
Mir wäre selbstverständlich eine rot-grüne Koalition an der Regierung lieber. Einen sehr großen Unterschied zu schwarz-gelb sehe ich allerdings kaum noch. Drum wähle ich lieber eindeutig links.
Man darf es den deutschen Spießern nicht zu leicht machen.
Tja, da liegt sie - die Wahlbenachrichtigung - auf meinem Schreibtisch. Am liebsten würde ich sie zu einem Papierflieger falten und aus dem Fenster werfen. Ich kann gute Papierflieger falten. (Den Wahlschein beantragte ich gerade.)
Am Besten fliege ich über die Wahlen nach Ibiza oder woanders hin, wo es schön warm ist, und wo ich ein paar Knackärschen hinterherschauen kann. Wenn ich dann zurückkomme, bin ich wenigstens nicht blass. Ein langer, kalter Winter liegt vor uns.
Egon Bahr im Interview – lebendige Geschichte. Ein halbes Jahrhundert. Was ist schon ein halbes Jahrhundert? Wie viele tausend Jahre existiert der Mensch schon? Ich frage mich, warum der industrielle Fortschritt gerade aus dem Spätmittelalter in Europa erwuchs. Es war vielleicht der rationale Geist der Aufklärung, welcher der Wissenschaft und der Ingenieurskunst den nötigen Nährboden für den Quantensprung in die Moderne bereitete. Eine Lawine kam ins Rollen, die in zweihundert Jahren das Gesicht der Welt vollständig veränderte. Und die Lawine rollt weiter. Noch nie musste der Mensch innerhalb weniger Generationen so viele Veränderungen in seinem Lebensraum, in Kultur und Politik mitmachen und verarbeiten. Nun bin ich alt genug, um selbst einige Jahrzehnte zurückzudenken, und staune, was sich alles tat – nicht alles nach meinem Geschmack. Nur wenige Sachen blieben gleich: Bier ist im Großen und Ganzen immer noch Bier. Und ein Wald ist immer noch ein Wald, obwohl immer mehr Natur vom Menschen zerstört wird.
Wie soll man sich die Zukunft der Menschheit auf der Erde vorstellen, wenn die Entwicklung derart rasant weiter verläuft? Damit meine ich die Technisierung, die Ausbeutung der Erde, den Bevölkerungswachstum, das Auseinanderdriften von Arm und Reich, die kulturellen Verwerfungen … Befindet sich die Menschheit titanic-like auf Eisbergkurs, oder kriegt sie noch die Kurve?
An einem sonnigen Sonntag wie heute will ich gern glauben, dass alles weiterläuft wie gehabt: dass die Menschen sich immer wieder nach Kriegen und Katastrophen aufrappeln, dass das Ökosystem nicht kollabieren wird, dass die Fortschritte in Technik und Medizin uns aus der Predouille helfen werden. Wenn ich die Dokumentationen im TV verfolge, denke ich: Wir wissen doch alles, wir kennen die Gefahren und Fehler; und wir wissen sogar, was wir machen müssten, um unsere Zukunft auf der Erde sicherer, menschlicher und im Einklang mit der Natur und unseren Mitgeschöpfen zu gestalten. Setzt sich die Vernunft durch? Oder siegt das kapitalistische Wachstumsdenken, das dem Turmbau zu Babel gleicht? Jeder mag diese Fragen für sich (ehrlich) beantworten – schaut euch einfach um, reflektiert euer eigenes Leben hinsichtlich des Konsums und des Mülls, den ihr hinterlasst, hinsichtlich der motorisierten Mobilität, hinsichtlich der Dinge, die euer Leben ausmachen.
Ich fühle mich erschlagen von der Entwicklung, die die Menschheit nimmt. Beim besten Willen (trotz sommerlichen Sonnenscheins) kann ich keine positive Prognose für ihre Zukunft abgeben. Wir gingen einen faustischen Pakt ein, - verpfändeten unsere Seele. Aber für was? Dafür, dass wir in Supermärkten billig einkaufen können, - dann den letzten Dreck in Dosen fressen und Klamotten tragen, die durch Kinderarbeit hergestellt wurden? Dafür, dass wir in überdimensionalen Blechbüchsen herum rasen dürfen … auf Straßen, die die Landschaft durchschneiden und verschandeln? Dafür, dass der Strom aus der Steckdose kommt – und der Preis sind riskante Atommeiler und die Ausbeutung von Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle? Dafür, dass wir täglich Fleisch auf dem Teller haben und darum die Grausamkeiten der Massentierhaltung tolerieren? And so on.
Nein, ich bin nicht verrückt. Die Welt um mich herum spielt total verrückt. Es gibt keinen Weg zurück. Wir sind verdammt zur Hybris. Wahrscheinlich liegt diese bereits in der Natur des Menschen begründet. Der Teufel musste immer nur auf den richtigen Moment warten, um uns zu verführen. Man muss den Teufel aber gar nicht ins Spiel bringen. Ich behaupte, dass der Mensch für das Ökosystem Erde etwas wie eine Krankheit ist: ein Krebs oder ein beschissener Hautausschlag.
Sowieso sind wir nur Sternenstaub, und unser Geist reicht viel zu kurz, um das Universum in seiner fantastischen Vielgestalt und Größe zu verstehen. Ein Blick durchs Schlüsselloch wurde uns gewährt. Es ist ziemlich unanständig, was wir sehen (wenn wir denn hingucken) – dass wir nämlich überhaupt keine Rolle spielen.
Die ganze Welt ist eine Mafia. Der Krebs ist überall: in Politik, in Justiz, in der Wirtschaft. Die Verbraucher hängen längst wie Marionetten an einem Wirrwarr unsichtbarer Fäden. Selbst die Gedanken der Menschen sind manipuliert. Die Wahrheit will niemand hören. Wer die Wahrheit äußert, gilt als verrückt. Er wird isoliert. Es gilt das Prinzip: Wegschauen und nicht darüber nachdenken. Denn alles ist gut, wie es ist. Niemand darf das sensible System von Lüge und Täuschung stören. Die Opportunisten gewinnen – das ist ein Naturgesetz. Revolutionen betrachte ich darum immer sehr skeptisch. Meistens passiert nur eine gesellschaftliche Umwälzung. Danach setzt sich die Krake mit den Tentakeln aus Macht und Habgier wieder durch. Auf eine gerechtere Welt hofft man vergeblich. Nur wissen wir heute mehr über die Ungerechtigkeiten und kriminellen Verflechtungen.
Es heißt: Wissen ist Macht. Wenn dem so wäre, dürfte es z.B. schon lange keinen Pflegenotstand mehr in Altenheimen geben. Ich erkenne: Wissen ist machtlos, solange es dem Weltbild und Begehren der Mitmenschen nicht entspricht. Wie viele Menschen wurden im Mittelalter verbrannt , weil sie die Wahrheit sagten? Heute ist es nicht anders. Die Wahrheit endet immer noch auf dem Scheiterhaufen - wenn auch mehr allegorisch.
Es sind nicht nur die Mächtigen, die uns steuern und zur Unwahrheit führen – es sind die vielen vielen Opportunisten, die ihre Moral wie Kleidung wechseln und später einfach sagen: Das habe ich nicht gewusst. Wir Menschen sind soziale Wesen und richten uns selbstverständlich nach dem Meinungsbild unserer Nachbarn, Freunde und Verwandten. Niemand gilt gern als Außenseiter. Dennoch empören wir uns bei jedem Skandal. Empörung tut gut. Wir dürfen dann kurz an das Gute im Menschen glauben.
Die Whistleblower führen einen vergeblichen Kampf. Erst wenn die Wahrheit nicht mehr zu leugnen ist, lenken die Verantwortlichen in Politik oder Wirtschaft ein. Untersuchungsausschüsse werden gebildet, ein paar Köpfe rollen …, und danach geht alles weiter wie gehabt. Als Mensch, der sich eine gerechtere Welt wünscht, kommt man sich irgendwann wie ein Blödjan - wie ein Narr - vor. Ähnlich muss es Galileo Galilei gegangen sein, als er seine Beweise, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und nicht umgekehrt, den Kirchenoberen vorlegte.
Heutzutage geht es weniger um naturwissenschaftliche Wahrheiten sondern um Wahrheiten über Ungerechtigkeiten und Missachtung von Menschenrechten. Diese Wahrheiten sind aber ebenso immanent. Wer die Menschenrechte ablehnt, macht sich zum Verbrecher an der Menschheit und Menschlichkeit. Er verwirkt seine Kompetenz in der Politik oder in anderen gesellschaftlich verantwortlichen Positionen. So z.B. aktuell Erdogan in der Türkei.
Aber wenn die ganze Welt eine Mafia ist, macht dann die Auflehnung überhaupt noch Sinn? Ist nicht jede Aufdeckung von Missständen nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Kann man diesen Krebs noch besiegen? Ich habe meine Hoffnung auf eine bessere Welt schon vor vielen Jahren verloren. Trotzdem bleibe ich der Wahrheit verpflichtet. Das macht mich nicht unbedingt zu einem besseren Menschen. Und was heißt überhaupt Wahrheit? Manchmal misstraue ich sogar den Naturgesetzen. Ich habe Angst. An was soll man sich überhaupt noch halten? Überall lauern die Dämonen, die dich für sich vereinnahmen und benutzen wollen. Religionen, Parteien, Sekten, Kapitalisten, Atheisten, Sozialisten …, - schaut man hinter ihre Fassaden, sieht man in die Fratze des ein und selben Teufels.