Die Arschwischmaschine hat frei
Am Fahrrad war eine Speiche gebrochen. Das Hinterrad musste zentriert werden. Ich holte mein Bike gestern ab. Die Reparaturkosten hielten sich im Rahmen.
Der Tag war schwül. Am Liebsten wäre ich liegengeblieben. Die vier Nächte steckten mir in den Gliedern. Ich fühlte mich matt. Schon der kurze Spaziergang zur Bushaltestelle nervte mich. Ich musste zweimal die stark befahrene Straße überqueren. Auto an Auto rauschte an mir vorbei. Dann wartete ich zehn Minuten an der Haltestelle, die direkt an eine Baustelle grenzt. Ich beobachtete den Bagger und die Leute vom Bau …
Der Bus war voll. Wahrscheinlich ein Seniorenausflug. Ich quetschte mich irgendwie hinein. Endlich umsteigen in die Straßenbahn. Etwas mehr Platz und Ruhe.
Gegenüber eine Blinde mit Blindenhund. Die sah das ganze Chaos wenigstens nicht. Ich musste noch zum Geldautomaten. Die Sparkasse war eine Baustelle, und der Geldautomat hing in einer Bretterbude im Hof. Ein Kilometer Fußweg zur Fahrradwerkstatt. Ich lief Wege abseits der Hauptverkehrstrasse – trotzdem fühlte ich mich von Autos und Motorenlärm umzingelt.
Endlich habe ich mein Fahrrad wieder. Ich ordnete mich in den Verkehr ein. Äußerste Aufmerksamkeit war gefordert. Feierabendverkehr. Fußgänger, Fahrradfahrer, Straßenbahnen, Autos und Motorräder – alles durcheinander im Irrgarten der Stadt. Am liebsten wäre ich gleich auf die Felder außerhalb geflüchtet, aber der Durst war stärker. Ich setzte mich auf einen Platz und bestellte ein Bier. Ein Hefeweizen. Kinder spielten hinter meinem Rücken Fußball. Sehr inbrünstig. Der Ball donnerte gegen die Begrenzungsgitter einer Baustelle und gegen ein Kirchentor, welches als Fußballtor diente. Ich war ausgetrocknet und trank zwei Hefeweizen. Die Bedienung war hübsch und super eingebildet. Ein Abziehbild.
Retour radelte ich über die Felder und durch die Weinberge. Stippvisite im Biergarten der Kleintierzüchter. Das Brüllen der Stadt noch in meinen Ohren. Ich sah auf alles, als wäre es von einem anderen Stern. Die Menschen waren mir fremd – von einer anderen Gemüsesorte als ich.
Ich musste noch in den Supermarkt. Nochmals der Irrsinn im Quadrat. Menschen, die kein eigenes Leben mehr haben – Sklaven ihrer Autos. Das dumme Objekt hat die Menschheit befallen wie ein Virus eine Körperzelle.
Nach dem Einkauf landete ich vorm Kaffeehaus. Fast alle Tische waren besetzt. Die Menschen schnatterten wie eine Gänseherde, - aßen, tranken. Ich fand meine Ruhe nicht. Ich fühlte mich schlapp und kraftlos und hatte nicht mal Lust auf eine Lektüre. Stattdessen schaute ich in die Runde. An einem Nachbartisch saßen zwei Hochschwangere mit ihren Männern. Ich verstand nicht, was sie erzählten. Der Brunnen plätscherte. Autos fuhren vorbei. Aber ich weiß noch, was ich dachte: Ich dachte, dass es nicht zusammenpasst: ihre Schwangerschaft und das ganze Brimborium menschlicher Umtriebe. Ihre Bäuche waren dick und prall wie Medizinbälle. Sie würden bald neues Leben gebären. Sie würden mit dem Auto ins Krankenhaus fahren, und mit dem Neugeborenen im Auto zurück ...
Ich radelte die letzten zwei Kilometer den Berg hinauf zu meiner Wohnung. Vorbei an der großen Tunnelbaustelle. Überholt von tausenden Autos. Schreien wollte ich.
Zuhause kotzte ich in die Spüle.
Wer eine Frau zum Lachen bringt, hat halb gewonnen. Wenn Frauen lachen, wird ihre Beckenbodenmuskulatur durchgeschüttelt und somit ihre Muschi durchblutet. Naheliegend, oder? Lachen im Bett ist also kein Erotikkiller. Was man nicht alles an Ratschlägen aufschnappt, wenn der Tag lang ist.
Die Einsamkeit macht ungewollt stark. Richtig stark ist man oft dann, wenn man sich eigentlich gar nicht danach fühlt. Ich will mich nicht vor mir selbst verstecken. Trotzdem bleibt viel im Dunkeln.
Es fällt mir schwer, eine Liebe, die ich hatte, endgültig auf den Müll zu kippen. Die Trauer um vergangene Lieben bleibt ein Leben lang. Momentan bin ich mal wieder ziemlich sentimental. Kann man einen Menschen für tot erklären, den man liebte? Manchmal frage ich mich, was sie heute macht … Aber will ich es überhaupt wissen? Besser nicht.
Ein dickes Buch verbindet Zeiten. Zum einen die Zeiten, welche die Protagonisten des Buches durchlaufen; außerdem verbindet das Buch die Zeit, in welchem es handelt, mit der Zeit des Lesers; und schließlich bringt es noch die Zeiten während des wochenlangen Lesens zusammen.
Ich lese oft zwei, drei Monate an einem dickeren Wälzer. „Les Misérables“ begann ich in meinem Urlaub zu lesen. Als ich gestern vorm Kaffeehaus bei der Lektüre saß, dachte ich wehmütig an meine Fahrradreise zurück.
Ein neues Wort gelernt: dithyrambisch – heißt: begeistert, inbrünstig, schwärmerisch.
Das Hinterrad meines Fahrrads hat einen fulminanten Achter – sicher eine Spätfolge meiner Fahrradreise. Ich werde nicht umhin kommen, es zur Reparatur zu geben. Am Besten heute. Über das Wochenende habe ich Nachtdienst. Da brauche ich das Fahrrad nicht.
Ich glaube, in meinem Kopf läuft zur Zeit auch nicht alles rund. Ich eiere so durch die Tage.
allen Bloggern und Lesern einen sonnigen, schönen Sonntag
Das Haus ist verkauft. Das Elternhaus ist verkauft. War es mein Elternhaus? Zu einem Teil, weil meine Eltern darin wohnten, dort ihren Lebensabend verbrachten. Für mich ist es eine Vergangenheit wie aus einem anderen Leben. Die Berührungen bleiben. Ich fühle keine Abneigung. Hass sowieso nicht. Das Kapitel ist abgeschlossen, und doch lebt es in den folgenden Kapiteln weiter. Ganz selbstverständlich.
Das Haus ist verkauft, aber es wird weiter bestehen. Ich lernte die Käufer kurz kennen. Sie haben ihre Vorstellungen, wie sie sich ihr neues Zuhause gestalten wollen – was völlig legitim ist. Ich bin dankbar, dass der Verkauf des Hauses schnell und relativ reibungslos über die Bühne ging. Mögen die neuen Besitzer dort glücklich werden.
Der Verkaufstermin fand am Vormittag nach meiner Nachtwache statt. Ich war ziemlich übernächtigt. Es kommt mir heute vor, als hätte ich alles nur geträumt. Dazu die Hitze. Und der lange Vertragstext, den der Notar uns vorlas. Irgendwie unwirklich. Formalien über Formalien.
Das Haus ist verkauft. Ich besaß es nie.
Gestern eine fesselnde Doku über
Daniel Ellsberg gesehen. Vielleicht haben junge Männer wie
Snowden ihn zum Vorbild. Respekt!
Endlich erschien Umberto Ecos Roman
"Der Friedhof in Prag" als Taschenbuch. Will ich den Roman noch lesen? Ich weiß nicht. Viele Erinnerungen, die ich abschütteln will, kleben an diesem Buch.
Das alljährliche Jazzfestival fand gestern Abend in den Gassen rund um das alte Rathaus statt. Als ich vorm Kaffeehaus saß und die Vorbereitungen beobachtete, kam ich nicht umhin, ein Jahr zurück zu denken. Bevor der Trubel losging, flüchtete ich in meine
Burg.
Ich muss es mal wieder loswerden: Die Menschen haben einen Knall! Promis, die einfach mal so zum Spaß mit dem Heli von Hamburg nach Sylt fliegen. Reiche Ladys, die für ihr Hündchen sündhaft teures Allerlei kaufen. Ein Starfriseur, der die Sylter High Society frisiert und Shampoo Flaschen teurer als Schampus unter die Leute bringt … Und alle fühlen sich super gut!
Auf meiner Fahrradreise notierte ich: „Ihre Fahrräder sehen so aus, als wurden sie kaum ein paar Kilometer gefahren … mit Anhänger für den Hund. Solange es solche Menschen gibt, ist die Welt verloren.“ In den Ostseebädern bekam ich ein Gefühl dafür, was
mondän heißt.
Manche Beziehungen beginnen wie ein gutes Essen – es schmeckt, man genießt es – und enden mit einem verdorbenem Magen.
O, die Franzosen feiern heute ihren Nationalfeiertag.
Täterä!
Ein sonniger Sonntag. Autos brausen die Talstraße hoch und runter. Manchmal frage ich mich, wohin die alle unterwegs sind. Ich werde mich nachher aufs Bike schwingen und über den Verkehr fluchen. Noch keinen blassen Schimmer, wohin
ich eigentlich will. Jedenfalls ein paar Stunden in die Sonne. Morgen geht`s schon wieder in die
Nacht.
Was sind Worte? Was heißt Wortsinn? Was bedeutet es, mit Worten über Worte zu schreiben?
Worte als Segen und Worte als Fluch. Wohin bringen uns die Worte? Könnte man die Welt lesen wie ein Buch ... Und von wem wäre dieses Buch geschrieben? Das Buch, das allen Büchern zugrunde liegt, das Wort, das allen folgenden Worten zugrunde liegt.
Was weiß ich davon? Obwohl ich darüber schreibe, weiß ich nichts. Ebenso weiß ich nichts von den Zellen meines Körpers, obwohl ich aus ihnen bestehe; und ich weiß nichts über die Erde, obwohl ich über sie gehe.
Ich will den Worten trauen, wie man den Bäumen trauen kann. Oder den Bergen. Wortsinn heißt auch die Gefahren zu sehen, zwischen den Zeilen zu lesen. Nicht die Worte sind hinterlistig, sondern die Menschen, die sie schreiben. Ich glaube sagen zu können, dass es keine hinterlistigere Kreatur als den Menschen gibt. Ich lese es an mir, und ich lese es in den Herzen anderer Menschen.
Nur Gott kann hinterlistiger sein. Doch warum sollte er? Er hat schon alle Macht. Wahrscheinlich sind ihm Worte sogar fremd, so wie wir sie verstehen. Ich weiß es nicht. Was soll ich über Gott sagen? Er steht abseits aller Worte.
Mein Leben ist zu kurz, um etwas zu begreifen. Alles, was ich begreife, dient lediglich dazu, dass ich bestehe. Nebenher staune ich, wundere ich mich. Wenn ich sterbe, weiß ich aber nicht mehr als bei meiner Geburt – eher weniger. Ich glaube, dass uns das Leben nicht hin zu wirklichem Wissen und Erkenntnis führt, sondern weg davon. Vor lauter Worten haben wir längst die Orientierung verloren. Wenige Worte sind ein Segen. Die meisten Worte gerieren sich zum Fluch.
Trotzdem schreibe ich weiterhin Worte. Ich bin von ihnen nicht mehr zu trennen. Wenn ich die Worte verliere, bin ich tot. Mir ist bewusst, dass ich ein Narr bin, der mit Worten um sich wirft, die kaum eine Wirkung zeitigen. Trotzdem – es ist meine Bestimmung.
Ich könnte genau so gut mein Leben lang Blumen pflücken, sie in eine Vase stellen, mich ein paar Tage an ihnen erfreuen, um sie dann wieder aus dem Fenster zu werfen, wenn sie welken. Dann wäre dies meine Bestimmung, solange Blumen wachsen. Wüsste ich darum, was Blumen sind, oder warum ich Blumenpflücker bin?
Was sind Worte? Warum kann ich nicht aufhören, sie zu schreiben?
Sie sind das Beste, was ich von mir verschenken kann. Sie gehören mir eigentlich gar nicht. Ich pflücke sie nur und mache einen Strauss daraus.
Für dich, für euch.
Man kann dem Leben nicht trauen. Überall lauern Fallstricke. Es gibt Tage, an denen einem das dummerweise bewusst wird. Dann scheint der Boden unter den Füßen nachzugeben, über den man sonst relativ selbstsicher wandelt. Diffuse Ängste engen den Brustraum ein – das Herz klopft …
Ich wälzte mich im Bett hin und her und versuchte einzuschlafen. Eigentlich gab es nicht wirklich einen Grund zur Besorgnis. Aber eine innere Unruhe und Furcht, die ich nicht abschütteln konnte, hatten mich erfasst. Die Einsamkeit verdichtete sich zur Verzweiflung. Schließlich fiel ich doch in den befreienden Schlaf. Es ist irre: Der kleine Bruder des Todes schenkte mir Ruhe. Als ich am Morgen erwachte, hatte sich meine Beklemmung gelöst. Also beinahe, nicht wirklich ganz.
Ein Fiesling hatte im Traum den Bus entführt, in dem ich saß. Plötzlich hatte er eine Frau in den Schwitzkasten genommen und fuchtelte mit einer Pistole herum. Ich dachte darüber nach, ihn zu überwältigen und ging vorsichtig auf ihn zu. Als er mich sah, ließ der Fiesling von der Frau ab und kam zu mir, nahm mich, ohne etwas zu sagen, in den Arm, drückte mich, und hielt mir dabei die Pistole an den Kopf, lachte. Mein Mut hatte mich verlassen, mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich fühlte mich klein und hilflos. Der Busfahrer hatte längst durch einen Blick in den Innenspiegel gesehen, was im Fahrgastraum vor sich ging und die Polizei informiert. Der Bus fuhr nicht mehr auf der üblichen Route und passierte einige Absperrungen. Plötzlich hielten wir. Die Bustür öffnete sich einen Spalt. Der Fiesling war für einen Moment abgelenkt. Ich machte mich von ihm los und drückte mich durch den Spalt. Ich hatte Todesangst und rannte über die Straße. Da fiel mir ein, dass meine Tasche noch auf meinem Platz im Bus lag. Als ich mich umdrehte, glaubte ich zu sehen, dass mir der Fiesling folgte. Wo ist die Polizei? dachte ich noch, und wachte auf. Ich kam mir feige vor, weil ich geflohen war.
Der helle Tag verdrängte den Traum schnell. Ich kramte ihn erst jetzt wieder hervor. Die Stunden des Tages addieren sich. Ich warte auf eine Warensendung. Der DHL-Paketausfahrer fährt das Päckchen seit drei Tagen spazieren. Per Sendungsverfolgung bekomme ich den Status der Lieferung mitgeteilt. Heute lud er es zum dritten Mal in seinen Wagen. Und am Abend werde ich wahrscheinlich wieder lesen: Die Sendung konnte heute nicht zugestellt werden.
Verdammt, warum gibt er es nicht einfach an der Postfiliale wie sonst ab und wirft mir einen Abholschein in den Briefkasten?! Was ist das jetzt schon wieder für ein Albtraum?
Music from the American South
Die spielten richtig gut! Nur das Publikum – würg – bestand fast vollständig aus alten Socken. Geschätzter Altersdurchschnitt Tausenddreihundertzehn. Darunter kam ich mir mit meinen Fuffzig wie ein Embryo vor. Nicht zum Aushalten. Wenn ich pinkeln wollte, musste ich mich vorsichtig an ihnen vorbei schieben, denn bei einer Berührung wären sie sicherlich zu Staub zerfallen.
Magnolia spielte in einem alten Kino auf. Die Jungs waren sympathisch. Vor der Aufführung standen sie draußen an einem Stehtisch, und ich stellte mich zu ihnen. Ich wusste nicht, dass sie die Musiker waren. So kamen wir ins Plaudern. Ich sagte, dass ich mir vorkäme wie in meinem Altenheim …
Als sie pausierten, machte ich mich vom Acker. Ich hatte Angst, dass ich übermäßig schnell in dieser Umgebung altern könnte. Außerdem drückte ständig die Blase, und ich hatte meine Urinflasche zuhause vergessen.
Also Leute, seit gestern weiß ich, was Überalterung der Gesellschaft bedeutet.
Ich schätzte das Mädchen 9 oder 10 Jahre alt. Die Mutter saß am Nachbartisch mit einem Bekannten oder ihrem Freund. Ich glaube nicht, dass es der Vater war, weil das Mädchen immer zur Mutter lief, und er sich in die Mutter-Tochter-Kommunikation nie einmischte. Ich saß nach einer kleinen Fahrradtour vorm Kaffeehaus in der Sonne und trank Weizenbier. Mir fiel die Frau unangenehm auf, weil nur sie zu reden schien, und immer hatte ihre Stimme diesen belehrenden, vorwurfsvollen Tonfall, bei dem sich mir die Zehennägel hoch biegen. Ein richtiger Besen diese Frau. Sie bestand hauptsächlich aus Galle, und das Mädchen musste am Meisten darunter leiden. Die Mutter schimpfte auf eine Lehrerin ihrer Tochter und kam dabei selbst wie eine unsympathische, autoritäre Lehrerin rüber. Vielleicht wollte das Kind einfach mal in den Arm genommen werden. Stattdessen folgte ein verbaler Hieb nach dem anderen. Ständig hörte ich von der Mutter Aussprüche wie: „Du sollst nicht …, du darfst nicht …, was willst du schon wieder?“ Woraufhin sich das Mädchen trollte und zum Brunnen auf der Mitte des Platzes lief, an dem noch andere Kinder spielten. Die Mutter wollte in ihrer Unterhaltung mit dem Freund oder Bekannten nicht gestört werden. So viel war mir auch klar, aber wie sie ihre Tochter abfertigte, fand ich einfach nur ätzend. Ich konnte mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Schließlich, als das Kind sich mal wieder gesenkten Hauptes zurückgezogen hatte, platzte es aus mir heraus:
„Entschuldigen Sie, dass ich mich einmische, aber müssen Sie ihr Kind derart demütigen?“ Ich weiß nicht mehr genau, was ich alles sagte. Ich versuchte mich zu beherrschen. Die Mutter ging sofort zum Gegenangriff über:
„Haben Sie Kinder?“
„Was spielt das für eine Rolle? Ich erkenne, wenn ein Mensch ungerecht behandelt wird.“
„Gehen Sie doch zu der Kleinen und kümmern Sie sich um sie!“
„Ich habe keine Beziehung zu ihr."
„Aha! Was mischen Sie sich dann ein?“
„Weil wir in einer sozialen Gesellschaft leben und man nicht immer wegschauen sollte.“
„Mal sehen. Vielleicht finde ich bei Ihnen auch etwas.“
Unser Wortgeplänkel ging noch kurz hin und her.
„Ich musste das einfach loswerden“, sagte ich abschließend.
Mit einer Lektüre versuchte ich mich von dem Nachbartisch abzulenken. Ein wenig Wirkung zeigte meine Kritik – die Mutter ging etwas mehr auf ihre Tochter ein, als die wieder ankam. Ich wäre vielleicht noch länger beim Bier in der Sonne sitzen geblieben, aber eine richtige Gemütlichkeit wollte an diesem Ort nicht mehr aufkommen; so zahlte ich und radelte mir meinen Ärger vom Leib. Warum hatte ich mich nicht zusammengerissen!? So eine dumme Person! Das Mädchen tat mir leid. Denn diese Frau hatte sicher nicht nur einen schlechten Tag gehabt – die war immer ein solcher Besen! Am Ende musste das Mädchen noch für meine Einmischung büßen ...
„... und küssen ihre Lippen mich, so bin ich König“ - diesen schönen Vers schnappte ich während einer meiner Nachtwachen aus dem TV auf. Irgendein Mittelalter-Schmonsens kam, den ich aber nur kurz verfolgen konnte. Die Arbeit rief.
Genauso ist es, dachte ich bei mir. Wirklich fühlte ich mich im Zustand der Verliebtheit als König. Beseelt von Glück wandelte ich durch die Stadt, unangreifbar, die alltäglichen Probleme verloren an Bedeutung, ich fühlte mich stark und mutig, Berge hätte ich versetzen können. Ich trug das Gewand des Königs …, und manch feinfühliger Mensch sah es auch. Die Liebe ist die größte Zauberkünstlerin der Welt: arme Menschen kann sie zu Königen machen; und reiche Menschen können sehr arm sein, wenn sie ungeliebt sind. Darum ist Liebe nie mit Gold oder Geld aufzuwiegen. Jeder Liebende durfte in seinem Leben König sein. Doch der Fall ist dementsprechend tief, wenn der Fluss der Liebe versiegt …,wenn die Liebe bricht. Gestern noch König, heute ein einsamer, armer Wicht. Die Liebe ist kein Geschenk auf ewig. Sie ist wie ein Stern , den man aus dem Blick verlieren kann – weil man unaufmerksam war, oder weil man zu viel erwartete. Es kann auch sein, dass man sie nicht mehr ertrug, weil man zu sehr geliebt wurde …, oder weil die inneren Dämonen die Oberhand gewannen.
Ich verspielte manche Liebe. Natürlich sage ich mir im Nachhinein, dass es nicht nur an mir lag. Bestimmt lag es nicht nur an mir. Vielleicht kann ich nur König auf Zeit sein, für ein paar Monate oder wenige Jahre. Jeder Mensch folgt seinem Schicksal. Das lässt sich nicht einfach wechseln wie eine Spur auf der Autobahn. Dabei wollte ich auch in Sachen Liebe einmal zur Ruhe kommen.
Irgendwo da draußen ist sie womöglich, meine Königin – und küssen ihre Lippen mich, so bin ich wieder König.