Ich beschütze mich selbst, aus der Zukunft heraus. Meine Schutzengel, die bin ich selbst.
Jede Nacht treffe ich sie, - also mich. Glaube ich zumindest.
für O.
Ein altes Ehepaar setzte sich auf der Café-Terrasse neben mich, Deutsche um die Achtzig. Wie ich bestellten sie Bier und bekamen dazu ein Schälchen gerösteter Erdnüsse. Auf der Markise des vor uns liegenden Lokals lauerten bereits die Tauben, drei an der Zahl. Wie die Geier saßen sie dort und starteten abwechselnd ihre Angriffe auf die Erdnüsse. Ich ließ mein Schälchen zurückgehen. Mir waren die Nüsse zu fettig, und ich wollte sie nicht ständig gegen die Tauben verteidigen. Anders das alte Ehepaar neben mir. Der Alte hatte bereits in feindseliger Manier die Karte zusammengerollt. Er wartete nur darauf, dass die Vögel zum Tisch flogen und schlug dann fluchend nach ihnen. „Ich krieg euch noch!“ brüllte er, „ich schlag euch tot!“ Peinlich, peinlich, dachte ich bei mir, was für böse Menschen es gibt. Die Frau hielt sich etwas zurück, schaute aber ebenso grimmig. Der Alte führte sich auf wie ein Nazi-General. Er befand sich im Krieg mit den Tauben, und ich hatte das Gefühl, dass er dazu absichtlich diesen Platz ausgesucht hatte. Der Kellner ermahnte ihn. Vielleicht kannte er das alte Ehepaar bereits. Ich trank mein Bier zügig aus und bezahlte.
Morro Jable ist ein Hafenstädtchen. Nichts Besonderes, aber immerhin konnte man hier neben dem Tourismus ein wenig das einheimische Leben beobachten. Ich schlenderte herum, legte da und dort ein Päuschen ein und schoss mit dem Smartphone einige Fotos.
Als die Zeit noch langsamer verging, wollte ich nichts verpassen. Demgemäß war jeder neue Tag aufregend. Ich hechelte wie ein Hund meinen Erwartungen hinterher.
Nach einigen durchlebten Jahrzehnten vergeht die Zeit schneller – ich weiß nicht genau, wie viel schneller. Doch um einiges, denke ich.
Gibt es noch was, das ich verpassen könnte?
Meinen eigenen Tod vielleicht…
Zur Ablenkung ein Witz, den ich gestern in einem Film mitkriegte:
Warum war das Toilettenpapier in der DDR so rau?
…
Damit auch der letzte Arsch rot blieb.
Ich träumte, ich würde in Paris wohnen und wanderte durch die Stadt auf der Suche nach der Magie, wie ich sie empfand, als ich dort noch nicht lebte.
Die ersten zwei Bürotage verliefen problemlos, außer dass ich sehr müde war. Es kamen die üblichen Bemerkungen und Fragen wie: Etwas Farbe hast du schon bekommen… Wie warm war es denn? Warst du im Wasser? …
Ja, und es war recht kühl, doch man war durch die Brandung schnell drin. Dann war es einfach wunderbar, zwischen den Wellen zu schwimmen und sich treiben zu lassen. Vor allem am letzten Tag lag ich eine gute Weile am Strand, chillte und ging zwischendurch ins Wasser. Ansonsten verbrachte ich die Tage mit Ausflügen in die Umgebung. Zur einen Seite gab`s da den Doppelort Morro Jable/Jandia Playa und auf der anderen Seite das Feriengebiet Costa Calma, jeweils 10-15 Kilometer von meiner Hotelanlage entfernt. Ich legte die Strecke zu Fuß zurück und fuhr je nach Gelegenheit mit Bus oder Taxi zurück. Die Strandabschnitte wurden von der steil ansteigenden steinigen Küste umsäumt. Oft musste ich bei meinen Wanderungen recht unwegsames Gelände überwinden oder auf schmalen Pfaden eine Strecke die Küste hoch schlappen. Die Crocs, die ich trug, erwiesen sich auf diesen Wegen als recht praktisch, da sie einerseits den Fuß etwas Halt gaben und schützten, andererseits auch Nässe vertrugen. Barfuß war das Fortkommen in dem Steine-Meer ein Unding, weil schmerzhaft und gefährlich. Man kann schnell mal das Gleichgewicht verlieren oder ausrutschen. Und
plumps, ist es passiert! Ich saß mit dem Hosenboden zwischen den Felsen im Wasser… Wenn man unglücklich fällt, kann man sich sicherlich böse Verletzungen zuziehen (Prellungen, Splitterbrüche, Kopfverletzungen…). Ich erreichte wohlbehalten und fast wieder ganz trocken Morro Jable, das Ziel meiner ersten Wanderung.
"Zur Hölle mit den anderen", 20 Uhr 15, DAS ERSTE
bonanzaMARGOT
- 03. Jan. 18, 15:08
Nach der Rückkehr von der Insel: "Weißer bin ich sicher nicht geworden."
bonanzaMARGOT
- 03. Jan. 18, 12:04
Eine Woche, die Tage flogen wie die Samen einer Pusteblume davon. Ich blicke ihnen staunend hinterher. Das Berliner Grau ist schon überwältigend als Kontrast zu meinen Eindrücken auf Fuerteventura. Ich versuche gerade in aller Gemütlichkeit anzukommen. Mir bleibt dazu ein Tag. Morgen geht`s zurück ins Büro. Noch fühlt es sich an, als ob Sonne, Wind, Sand und Meerwasser an mir haften. Ich glühe innerlich nach.
Die Heimreise verlief planmäßig. Allerdings empfinde ich das Ganze immer als Tortur für Seele, Geist und Körper: zwölf Stunden vom Einstieg am frühen Morgen in den Transfer-Bus vorm Hotel bis zur Ankunft in unserer Wohnung. Am Flughafen kam ich mir vor wie in einer Hammelherde, die abgefertigt wird. Freilich, man muss sich erst gar nicht auf solch einen Trip einlassen. Was habe ich mit diesem Massentourismus am Hut? Was mache ich sechs Tage auf einer Insel, gut dreieinhalbtausend Kilometer von Berlin?
Schon wegen des Lichts und dem Meer lohnte es sich.
Nein, nicht dass ich dort leben wollte. Vieles würde mir fehlen. Aber ein oder zwei Wintermonate würde ich gerne dort verbringen, auch um Land und Leute besser kennenzulernen. Eine Woche ist definitiv zu kurz. Kaum (halbwegs) angekommen, hat man bereits die Rückreise vor Augen.
Geldsäckel und Urlaubstage des deutschen Normalverdieners geben nun mal nicht mehr her. Dementsprechend leistet sich die Hammelherde wenigstens ein paar Tage auf der Insel, hin und zurück mittels Billigflieger plus Unterkunft und Abspeisung in Bettenburgen (oder riesigen Ferienanlagen). Man gönnt sich ja sonst nichts. Alles wunderbar durchorganisiert.
Dieses ganze Schreiben ist nichts als die Fahne des Robinson auf dem höchsten Punkt der Insel.
(Franz Kafka)
bonanzaMARGOT
- 27. Dez. 17, 05:09
Langsam Zeit zu packen. Flachmann füllen. Die bequemsten Unterhosen aussuchen. Die Medikamente nicht vergessen. Badesachen und Sonnenmilch. Ansonsten nicht zu viel Zeug mitnehmen – es ist schließlich nur eine Woche. Auf Fuerteventura sollte das Wetter deutlich besser sein als hier in Berlin, Weihnachten 2017. Mit etwas Mut könnte ich sogar nur mit Handgepäck reisen. Dann müsste ich allerdings auf mein Taschenmesser und noch ein paar andere Utensilien verzichten. Am Gepäckband rumstehen und auf den Koffer warten ist immer wieder spannend…, das gehört einfach dazu.
Morgen in der frühen Früh geht`s los, um rechtzeitig am Schönefelder Flughafen zu sein. 13 Uhr 55 sollte ich bereits auf Fuerteventura landen. Wie verhält es sich eigentlich mit der Zeitverschiebung? Ich glaube, sie sind dort eine Stunde vor uns. Vor und nach verwechselte ich schon als Kind. Nur nicht verwirren lassen. Der Flachmann wird`s richten. Oder das Bier. Ich lasse den Flachmann lieber zuhause. Ich schenkte ihn mir selbst zu Weihnachten. Es wäre schade, wenn ich ihn gleich wieder verlöre am Strand von Esquinzo, oder wohin es mich dort verschlagen wird.
Okay, im Großen und Ganzen war`s das. Die Zeit auf der Insel wird schneller vergehen, als mir lieb ist. So ist`s ja immer im Urlaub.
Euch allen schöne Tage und einen guten Jahreswechsel (jedem das Seine)!
"The Rocky Horror Picture Show", 22 Uhr 50, Kabel eins
bonanzaMARGOT
- 25. Dez. 17, 10:13
Vor ein paar Tagen hatte ich die verrückte Vorstellung, eine Stubenfliege, einen Menschen und eine Schildkröte zu ihrem Zeitempfinden zu befragen. Ich dachte mir dazu eine Art Talksendung aus. Es gibt nämlich nichts, was mich mehr interessiert als die Zeit…, wie sie vergeht… in mir, mit mir und ohne mich. Wenn wir die Zeit verstünden, würden wir alles in einem anderen Licht sehen.
Also, ich sehe die Stubenfliege, den Menschen (einfach ein normaler Mensch, geschlechtlich gesehen uninteressant) sowie die Schildkröte zu Gast bei BONANZAMARGOT.
Folgendermaßen läuft die Sache ab:
Die Stubenfliege nimmt in der Bescheidenheit ihrer Größe augenblicklich Platz. Kamerazoom auf die Stubenfliege…
„Ein herzliches Willkommen für Frau Stubenfliege, die uns immer einen Schritt voraus ist in der Zeit!“
Verhaltener Studioapplaus. Inzwischen setzt sich der Mensch. Er wird in der Mitte sitzen.
„Hallo Mensch! Prima, dass du dabei bist. Du wirst uns sicher viel über die neuesten Forschungen in Sachen Zeit Auskunft geben können.“
Der Studioapplaus schwillt an.
Die Schildkröte bewegt sich gemächlich Richtung ihres Platzes.
„Alles braucht seine Zeit, meint unser nächster Gast. Ein herzliches Willkommen für die Schildkröte!“
Die Kamera verfolgt den Weg der Schildkröte. Es kann sich nur noch um Stunden handeln. Der Mensch steht auf und trägt sie zu ihrem Platz.
Das Studiopublikum applaudiert…
„Danke.“
„Gern geschehen.“
Kameraschwenk auf den Moderator BONANZAMARGOT.
„Liebe Gäste, liebes Publikum, wir diskutieren heute die Zeit. Alle sind wir Zeitbürger. Ein jeder lebt in seiner Zeit, empfindet sie auf seine Weise schneller oder langsamer. Doch eines haben wir alle gemeinsam: Unsere Zeit ist endlich… Der berühmte Gelehrte und Dichter Goethe sagte: Die Zeit ist selbst ein Element. Gerne möchte ich dazu meinen hier anwesenden Artgenossen, den Menschen, fragen: Hat Goethe mit seiner Aussage Recht? Wie fassbar ist die Zeit?“
Die Kamera zeigt den Menschen in typischer Denkerpose. Der setzt zu einer Antwort an…
Soweit so gut. Liebe Leser und Leserinnen. Ich halte Sie allesamt für Menschen. Wie würde Ihre Antwort ausfallen?
"Die fabelhaften Baker Boys", 22 Uhr 10, Servus TV
bonanzaMARGOT
- 24. Dez. 17, 09:05
Es gibt Menschen, die sich in allen Bereichen des Lebens zuhause fühlen: in der Partnerschaft, im Beruf und an ihrem Wohnort. Das müssen wahrhaft Glückliche sein. Sie hadern weder mit der Welt um sich herum noch mit sich. Sie ruhen in sich selbst. Dazu passt, was mir IGING auf meinen letzten Beitrag schrieb: „Wenn man glücklich ist, fragt man gar nicht nach dem Sinn. Denn dann ist der Sinn erfüllt, also braucht man ihn nicht zu suchen, also fragt man auch nicht danach. So einfach ist das.“
Meine erste Reaktion auf ihren Kommentar war ungläubiges Staunen: Ist das ihr Ernst, was sie mir da schreibt? Kann die Sinnsuche einfach aufhören, wenn man glücklich ist? Oder: Ist vielleicht die Sinnsuche gar schuld an unserem Unglücklichsein? Es könnte doch so einfach sein, wie IGING es schreibt – ein paar Mantras aufsagen (oder Gebete sprechen), und alles ist gut*. Religionen und Sekten bieten allerlei Anleitungen zum Glücklichsein an. Man muss nur daran glauben.
Es gibt auch Zeitgenossen, die sich im Materialismus ausgesprochen wohl fühlen. Für sie gilt das gleiche. Sie haben ihren Sinn gefunden. Oder sie mussten ihn erst gar nicht suchen. Sie liefen konform mit den Werten, die sich ihnen präsentierten. Sie reihten sich einfach ein. Ihre Mantras kriegen wir Tag für Tag über die Werbung vorgespielt. Ganz einfach das eigene Denken loslassen, falls es überhaupt vorhanden ist, und in den Ideologie-Pool seiner Wahl springen, oder sich in dem Pool freischwimmen, in den man hineingeboren wurde – das ist sowieso das super einfachste (was jeder quasi aufgenötigt bekommt).
Seltsamerweise erlebe ich (mal ganz abgesehen von meiner eigenen Person) keine Welt, welche vor Glücklichen geradezu platzt. So einfach kann es also doch nicht sein. Es mag einige Menschen geben, die von sich behaupten, dass sie glücklich sind – und darum nicht ruhelos nach einem Sinn suchen müssen. Offenbar passen für sie die Vorgaben der Gesellschaft, in welcher sie leben - sie sind glücklich mit der Familie, dem Beruf, ihrem Wohnort und dem gesamten Dasein; sie nehmen fatalistisch hin, wie es ist und passen sich weitgehend kritiklos an die Gegebenheiten an. Ein Aufbegehren macht schließlich wenig Sinn – damit verdirbt man sich nur sein kleines Glück, - ist reine Energieverschwendung.
Und trotzdem wählen viele Menschen (wie ich) andere Wege…, Wege, die nicht so einfach -, die nicht unbedingt Glück verheißend sind. Sind wir krank im Kopf? Tragen wir in uns ein falsches Gen? Warum stören wir mit unseren ständigen Fragen das einfache Glücklichsein? Wir machen es damit nicht nur uns selbst, sondern auch denen schwerer, mit denen wir zusammenleben. Da ist z.B. meine Partnerin, die viel zufriedener und glücklicher mit der Welt und ihrem Dasein ist als ich…
Ich sollte an meiner Assimilierung in die Welt arbeiten. So kann`s nicht weitergehen. Ich merke selbst, wie mich dieser geistige Kampf gegen Windmühlen immer mehr schwächt. Mein Weg ist selbstzerstörerisch. Schließlich dreht sich nicht die ganze Welt um mich. Stellt sich nur die Frage, wie ich mich am besten selbst überliste. Ich bräuchte eine Gehirnwäsche, die nachhaltig wirkt…
Mal im Internet suchen.
Danke für den Anstoß, IGING.
* evtl. missverständlich: das sagte IGING nicht, sondern ich führte ihren Ansatz zu Glück und Sinn im Leben gedanklich weiter
Es ist vollbracht, murmelte ich vor mich hin, als ich gestern die Treppen hinunter zum Ausgang lief. Die letzten Stunden am Arbeitsplatz zogen sich. Die ganzen letzten Bürotage eine einzige Hängepartie.
Nun war ich durch. Auf den letzten Metern des Jahres 2017.
Fazit: Ich sitze mir seit 10 Monaten bei der Tumordokumentation am Computer den Hintern breit, fühle mich total ausgelaugt, aber wenigstens habe ich einen sicheren Job.
Die Piloten bei Ryanair streiken also doch, nachdem erst Entwarnung gegeben wurde. Aber betrifft es auch meinen Flug nächsten Dienstag? Dann dieser Online Check-in… frühestens vier Tage vor dem Abflug. Das wäre heute. Dazu brauche ich aber eine vom Reiseveranstalter speziell generierte E-Mail-Adresse und die Flugbuchungsnummer. Die erhielt ich noch nicht. Ich werde wohl nachfragen müssen… Warum muss alles so scheiß kompliziert sein?!?
Zwei Schornsteinfeger laufen vor meinem Fenster vorbei. Beide in original schwarzer Kluft, nur ohne Hut. Ich glaube nicht an Glücksbringer, und doch trage ich seit Jahren einen ständig mit mir herum. Ein Geschenk von lieben Menschen vor meiner Abreise nach Berlin.
Glück hatte ich eine Menge, was Wohnung, Job und Partnerin angeht, aber daraus lässt sich leider nicht automatisch ein Glücklichsein ableiten. Fürs Glücklichsein braucht man mehr als nur Glück…
bonanzaMARGOT
- 22. Dez. 17, 09:58
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Büro